"Das ist unverschämt, das ist ein unentschuldbares Fehlververhalten!" Mit Worten, die nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig lassen, geht Othmar Karas, Leiter der ÖVP-Delegation im Europaparlament, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung mit Ungarns nationalkonservativem Ministerpräsidenten Viktor Orbán ins Gericht. Völlig überraschend hatte Orbán am Dienstag einen weiteren Eskalationsschritt in seinem Dauerkonflikt mit der Europäischen Union gesetzt und einseitig das Dublin-Abkommen ausgesetzt. Budapest weigert sich ab sofort, Flüchtlinge mehr zurücknehmen, die über Ungarn in die EU gekommen und in andere Länder wie etwa Österreich weitergezogen sind.
"In einer so dringende. europäischen Frage wie der Flüchtlingsfrage national zu agieren, ist nicht nur unsolidarisch sondern auch in höchstem Maße uneuropäisch. Schengen zu wollen, aber gleichzeitig dessen Regeln zu ignorieren, zeigt, dass Viktor Orbán und seine Regierung nicht schengentauglich sind", sagt Karas. Was den Europarlamentarier, der so wie Orbán auf Europaebene der großen christdemokratischen Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, besonders erzürnt: "Österreich und Deutschland haben Ungarn polizeiliche Unterstützung für den Schutz seiner Grenzen angeboten. Sie wollen das Land nicht mit seinen Problemen alleinlassen. Erst am Montag war Ministerpräsident Orbán auf der großen Geburtstagsfeier für Wolfgang Schüssel in Wien und mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner beieinander. Aber er hat es nicht der Mühe Wert gefunden, die österreichische Regierungsspitze über sein Vorhaben zu informieren. Stattdessen stellt er Wien und Berlin nun den Sessel in die Tür! In Wahrheit ist das das Götz-Zitat gegenüber Österreich und Deutschland", so Karas.
Der Europapolitiker erwartet sich vom ungarischen Regierungschef, dass dieser beim morgigen EU-Gipfel in Brüssel auf Kanzler Werner Faymann zugeht und alle Irritationen ausräumt. "Orbán muss seine Entscheidung umgehend zurücknehmen! Bleibt Ungarn dabei, wäre das ein weiterer klarer Bruch mit dem europäischen Rechts- und Wertesystem!"