Im Kampf gegen die Terrormiliz IS entsenden die USA weitere 450 Soldaten, sogenannte Militärberater, in den Irak, die dabei helfen sollen, die Jihadisten zu vertreiben, teilte das Weiße Haus mit.
"Genau so hat es in Vietnam angefangen", kritisierte der demokratische Abgeordnete Charlie Rangel. Wer glaube, die rund 450 neuen Soldaten im Irak, würden nicht in Gefahr geraten, "lebt nicht in der Wirklichkeit", sagte er dem TV-Sender CNN.
Zugleich forderte er eine Debatte im Kongress über die US-Strategie im Kampf gegen die Terrormiliz IS.
Laut US-Medien richtet sich der Blickpunkt der Amerikaner jetzt zunächst verstärkt darauf, Ramadi zurückzuerobern. Dagegen werde das Ziel, Iraks zweitgrößte Stadt Mossul zurückzugewinnen, vorerst aufgeschoben.
Invasion der Barbaren
Vor einem Jahr, genau am 9. Juni 2014 begann die Offensive des IS, der in kürzester Zeit ein Drittel des Irak sowie Gegenden im benachbarten Syrien überrannte und die eroberten Gebiete zum „Kalifat“ erklärte. Zwar konnten die Jihadisten aus einigen Gebieten wieder vertrieben werden, doch bis heute kontrollieren sie einen Großteil des westlichen Irak. Und trotz schwerer Gefechte und monatelangen Luftangriffen der US-geführten Militärkoalition sind sie weiter in der Lage, Gebiete zu erobern.
In Syrien konnte der sunnitische IS angesichts des Chaos durch den Bürgerkrieg an Boden gewinnen, während die Gruppe im Irak von der Wut sunnitischer Araber auf die schiitisch dominierte Regierung profitierte. „Die dem IS zugrunde liegenden Ursachen sind noch immer da“, sagt Patrick Skinner vom Sicherheits-Beratungsunternehmen Soufan Group. „Das bedeutet, dass der IS bleiben wird.“
In weniger als 24 Stunden nahmen die Extremisten im vergangenen Jahr die zweitgrößte irakische Stadt Mossul ein und stürmten dann gen Süden. Die Jihadisten fegten irakische Einheiten beiseite und nahmen tausende gepanzerte Fahrzeuge, Waffen und andere Ausrüstung in ihren Besitz, wodurch das ganze Ausmaß der Inkompetenz und Korruption innerhalb der Sicherheitskräfte aufgezeigt wurde.
Minderheiten
Neben den enormen Gebietseroberungen sorgten die Jihadisten vor allem mit ihren Gräueltaten, wie auf Videos festgehaltenen Enthauptungen, für Entsetzen. Im Nordirak verfolgten die Extremisten Angehörige der Minderheiten der Christen und der Yeziden. Die Entführungen, Versklavungen und Vergewaltigungen wurden von der UNO als „versuchter Genozid“ verurteilt. Entlang des Flusses Tigris in Tikrit massakrierte der IS hunderte überwiegend schiitische Rekruten, was letztlich für Unterstützung für Bagdad sorgte.
Zehntausende Freiwillige meldeten sich nach einem Aufruf des obersten schiitischen Geistlichen im Irak, Ayatollah Ali al-Sistani, für den Kampf gegen den IS. Um Gebiete zurückzuerobern, ist Bagdad auf die vom Iran unterstützten schiitischen Milizen angewiesen, von denen einige in der Vergangenheit in konfessionelle Gewalt verwickelt waren. Die Macht der Milizen ist auch eine Gefahr für den Irak, der zwar behauptet, das Kommando über die Gruppen zu haben, diese aber nicht kontrolliert. Auch dass sich die Gruppen künftig gegenseitig bekämpfen, ist nicht ausgeschlossen.
Durch den Konflikt haben sich auch die Grenzen und die Demografie im Irak verändert. Angesichts des IS-Vormarschs und des Rückzugs der Streitkräfte haben etwa die Kurden im Nordirak umstrittene Gebiete unter ihre Kontrolle bringen können. Durch die Vertreibung von knapp drei Millionen Menschen hat sich auch die demografische Landschaft bedeutend verändert: Sunnitische Araber flüchteten in schiitisch und kurdisch dominierte Gegenden, während der Anteil der nichtmuslimischen Bevölkerung durch die Massenflucht ins Ausland weiter dramatisch abnahm.
Nicht zuletzt hat der Konflikt die USA nach einem knapp neunjährigen Krieg zurück in den Irak gebracht. Die USA fliegen seit August 2014 Luftangriffe im Irak und bilden irakische Sicherheitskräfte aus. Eine internationale Militärkoalition entstand. Doch die Jihadisten erweisen sich als äußerst widerstandsfähig und eroberten zuletzt die ein Jahr lang verteidigte Provinzhauptstadt Ramadi.
Iraks Zukunft und Vergangenheit zerstört
Die Kämpfe haben in den mehrheitlichen sunnitischen Gegenden schwere Schäden hinterlassen – sollten diese nicht behoben werden, könnte weiterer Groll gegen die finanziell angeschlagene Regierung entstehen. Zerstört hat der Konflikt die Vergangenheit und die Zukunft des Irak gleichermaßen. Mit Nimrud und Hatra etwa verwüstete der IS weltberühmte antike Stätten und plünderte zur Finanzierung seines Feldzugs Objekte von unschätzbarem Wert.