Nach Angaben der ukrainischen Armee und der prorussischen Rebellen vom Donnerstag wurden binnen 24 Stunden mindestens 26 Menschen getötet.

Präsident Petro Poroschenko erhob den Vorwurf, in dem Gebiet seien mehr als 9.000 russische Soldaten im Einsatz. Auf Antrag Litauens kommt am Freitag der UNO-Sicherheitsrat zu einer Krisensitzung zusammen.

Nach Angaben eines Beraters der ukrainischen Präsidentschaft wurden bei den neuen Gefechten fünf ukrainische Soldaten getötet und 39 weitere verletzt. Ein Vertreter der selbstproklamierten Volksrepublik Donezk gab an, 16 Separatistenkämpfer und fünf Zivilisten seien getötet sowie weitere 38 Zivilisten und 86 Aufständische verletzt worden.

Großangriff auf Armee

Die Aufständischen hatten nach Angaben des Militärs am Mittwoch einen Großangriff auf die Armee gestartet. Gekämpft wurde nahe der Kleinstadt Marjinka rund 20 Kilometer westlich der Rebellenhochburg Donezk. Die Aufständischen bestritten, eine Offensive gestartet zu haben, bestätigten aber die Kämpfe. Am Donnerstag war die Lage laut der Armee ruhig.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erklärte am späten Mittwochabend, in der Region von Donezk sei "im Vorfeld und während der Gefechte eine große Zahl schwerer Waffen" in Richtung Marjinka bewegt worden. Darunter seien auch Geschütze mit Kalibern von mehr als 100 Millimetern gewesen, die nach dem Minsker Abkommen abgezogen sein sollten.

Seit Februar gilt ein in der weißrussischen Hauptstadt ausgehandeltes Friedensabkommen, dessen Umsetzung jedoch stockt. Zudem gibt es trotz einer geltenden Waffenruhe immer wieder Kämpfe. Russland wird vorgeworfen, die Rebellen militärisch zu unterstützen und auch selbst mit Truppen in den Konflikt einzugreifen. Moskau weist dies zurück.

Poroschenko sagte am Donnerstag in einer Rede vor dem Parlament in Kiew, derzeit seien mehr als 9.000 russische Soldaten in der Ukraine im Einsatz. Angesichts der neuen Gewalt warnte er vor einer Ausweitung der Kämpfe. Die Gefahr, dass "russische Terrorgruppen" wieder "groß angelegte Militäraktionen" starteten, sei weiter "riesengroß", sagte der Staatschef.

Poroschenkos Außenminister Pawlo (Pawel) Klimkin sagte nach einem Gespräch mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin, "Hunderte Terroristen" hätten mit "Panzern und schwerer Artillerie" angegriffen. Damit hätten sie "brutal die Abkommen von Minsk verletzt". Von Russland forderte Klimkin eine "tatsächliche Deeskalation".

Steinmeier äußerte "große Besorgnis" über die neue Gewalt. Es habe "schwere Verletzungen des Waffenstillstands" gegeben, sagte er nach dem Gespräch mit Klimkin. Es sei dringend nötig, "die Lage in den Griff zu kriegen". Verletzungen der Vereinbarungen von Minsk könnten "dazu führen, dass wir erneut zurückfallen in einen Zustand militärischer Eskalation".

Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge seinerseits, die Minsker Friedensvereinbarungen könnten jederzeit "wegen des Verhaltens der Behörden in Kiew auseinanderbrechen". Er warf der ukrainischen Führung vor, ihre "Verpflichtungen zum direkten Dialog" mit den prorussischen Kämpfern im Konfliktgebiet zu umgehen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission warnte in Brüssel vor einer "neuen Spirale der Gewalt und menschlichen Leids". NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warf Russland im norwegischen Radio ein zunehmend "aggressives" Auftreten vor. Die USA drohten Russland mit neuen Sanktionen.

Russische Botschaftsangehörige und Duma-Abgeordnete müssen künftig extra ansuchen, wenn sie ins Europaparlament wollen. Dies sei am Donnerstag bei der Sitzung der Fraktionsvorsitzenden im EU-Parlament in Brüssel beschlossen worden, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Ulrike Lunacek, am Donnerstag gegenüber der APA.

Die Kämpfe zwischen den Separatisten und den Regierungstruppen in der Ostukraine dauern seit über einem Jahr an. Insgesamt wurden in dem Konflikt in den vergangenen 14 Monaten nach Angaben der Vereinten Nationen bereits mehr als 6.400 Menschen getötet. Auf Antrag Litauens kommt am Freitag der UNO-Sicherheitsrat zu einer Krisensitzung zusammen.

Zugleich steht die Ukraine finanziell am Abgrund: Die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Umschuldung kommt nicht voran. Vor allem mit Russland stocken die Gespräche. Dem leidgeplagten Poroschenko war der Zweckoptimismus deutlich anzusehen. "Investieren Sie bitte in unser Land", appellierte der Staatschef bei einem Treffen in Kiew fast flehend an westliche Unternehmer.