Seit Sonntag herrscht in der Ostukraine Waffenruhe - und tatsächlich schweigen die Waffen weitgehend. Kritisch bleibt die Lage weiter in Debalzewe nordöstlich von Donezk, wo immer noch ukrainische Soldaten eingekesselt sind. Rebellenführer Eduard Basurin erklärte, die ausverhandelte Waffenruhe nicht akzeptieren zu wollen. „Natürlich können wir das Feuer eröffnen. Das ist unser Gebiet“, erklärte Basurin. Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde der Zutritt in die Stadt verweigert.

Lokalaugenschein in Donezk

Unterdessen in Donezk: Die Einwohner von Donezk, Hochburg der prorussischen Separatisten in der Ostukraine, sind erleichtert. Am Sonntag liegt dank der in Minsk vereinbarten und zunächst weitgehend eingehaltenen Waffenruhe eine erste Nacht ohne Bombardements hinter ihnen.

Doch die meisten Menschen bleiben skeptisch. Zu viele Waffenruhen zwischen Regierungstruppen und Separatisten wurden bereits gebrochen. "Ich bezweifle, dass die Waffenruhe von langer Dauer sein wird. Aber selbst, wenn sie nur ein paar Tage halten sollte, wäre das schon etwas", sagt Andrej Andrejewitsch. "Dann könnten wir vielleicht wenigstens die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom wiederherstellen."

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

Der 77-Jährige wohnt in einem der am schwersten betroffenen Stadtviertel zwischen Flughafen und Bahnhof. Seit acht Monaten lag es unter Artilleriebeschuss. Der gegenüber des Bahnhofs liegende Markt ist am Morgen wesentlich belebter als in früheren Monaten. "Heute sind zehn Mal so viele Menschen hier wie sonst. Es ist fast wie vor dem Krieg", stellt die Kuchen- und Bonbonverkäuferin Irina fest. Sie würde gern an ein Ende der Kämpfe und an Frieden glauben, aber es fällt ihr schwer. "Die Hoffnung stirbt zuletzt, und ohne Hoffnung lässt es sich nicht leben. Doch bei etwas Nachdenken scheint eine dauerhafte Waffenruhe wenig wahrscheinlich", fügt die 55-Jährige hinzu.

"Auf die um Mitternacht in Kraft getretene Waffenruhe haben wir gewartet wie auf den Countdown zum Neuen Jahr", erzählt Irinas Standnachbarin, die 50-jährige Natalia Alexandrowna, die ein paar Gurken und eingemachten Kohl feilbietet. "Aber der tagtägliche Beschuss hat die Menschen hier derart zermürbt, dass die wenigsten sich eine Besserung der Lage vorstellen können."

Auch in Luhansk (Lugansk), der zweiten von den Separatisten ausgerufenen "Volksrepublik" im Osten der Ukraine, scheinen sich die Konfliktparteien an die Waffenruhe zu halten. 20 Minuten nach Mitternacht kamen allerdings nach Behördenangaben beim Einschlag einer Grad-Rakete im Dorf Popasna zwei Zivilisten ums Leben.

Kickende Soldaten

Rund 25 Kilometer vom strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt Debalzewe entfernt spielen ukrainische Soldaten Fußball oder lesen, wie ein AFP-Reporter berichtet. Bis vor kurzem tobten hier noch die heftigsten Gefechte zwischen Regierungseinheiten und Rebellen. "Heute Nacht war es ruhig, und das ist es auch im Augenblick. Aber vor eineinhalb Stunden gab es einen Schusswechsel", sagt ein Regierungssoldat. In der Ferne sind unterdessen in großen Abständen ein paar Explosionen zu hören - kein Vergleich zum beständigen Beschuss vor der Waffenruhe.

Auch die Soldaten sind gleichwohl skeptisch. "Klar gibt es Hoffnung", sagt einer von ihnen. "Aber die ist eher gering."

Von Olga Nedbaeva, AFP