Für Aufsehen hatte am Montag die Erklärung des prominenten Militärexperten Dmytro (Dmitri) Tymtschuk gesorgt. In seiner Funktion als Koordinator der Gruppe "Informationswiderstand", die seit Monaten detaillierte Informationen über militärische Vorgänge im Osten der Ukraine veröffentlicht, hatte er verkündet, seine Kontakte zur OSZE abbrechen zu wollen.

Gewicht haben Tymtschuks Wortmeldungen auch deshalb, weil der vielzitierte Experte demnächst für die "Volksfront" von Premierminister Arseni Jazenjuk in das ukrainische Parlament einziehen wird. Er gilt als einer der militärischen Chefideologen dieser Partei.

Zwei aktuelle Vorgänge, so betont Tymtschuk im Telefonat mit der APA, hätten in den vergangenen Tagen das Fass zum Überlaufen gebracht. "Die OSZE hat einen einseitigen Bericht über den Beschuss der Donezker Schule Nr. 63 veröffentlicht, bei zwei Kinder getötet wurden", sagt der Experte.

Die OSZE-Sonderbeobachtermission hatte in einem Bericht vom 7. November verkündet, dass die Schule am 5. November aus dem Nordwesten und somit aus ukrainischen Stellungen beschossen worden wäre. Der Beschuss sei jedoch, so widerspricht Tymtschuk, aus der Gegenrichtung gekommen. Dies könne auch auf veröffentlichten Fotos nachvollzogen werden können, die etwa einen aus östlicher Richtung beschädigten Zaun zeigten.

Weiters hätten OSZE-Vertreter bei einem kürzlichen Treffen, bei dem auch Vertreter der russischen Armee anwesend waren, offen über Positionen ukrainischer Militärverbände erzählt und Informationen über deren Einsatzbereitschaft verbreitet. "Diese Vorgangsweise ist völlig inakzeptabel", zeigt sich Tymtschuk empört. Bei russischen Militärs, so sagt er, handle es sich um jene Kräfte, die im Donbass zentrale militärische Operation koordinierten und auch durchführten.

Das offizielle Russland hat eine militärische Beteiligung an Kriegshandlungen im Osten der Ukraine wiederholt dementiert. Sprecher der OSZE-Sonderbeobachtungsmission in Kiew waren telefonisch für die APA zunächst nicht zu erreichen. OSZE-Sprecher Michael Bociurkiw erklärte in einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag, dass der OSZE-Bericht zu den Toten in der Donezker Schule keine Schuldzuweisungen beinhaltet habe und er dementierte, dass die OSZE sensible Informationen verbreitet zu haben: "Wir informieren über keine Positionen der ukrainischen Armee."

Tymtschuk artikuliert auch weitere Vorwürfe gegen die OSZE, mit deren Vertretern er sich bisher wiederholt zu Konsultationen getroffen hatte. Obwohl die Organisation im Sommer nur zwei russisch-ukrainische Grenzübergänge beobachten konnte, hätten sie in Berichten wiederholt en Anschein erweckt, dass sie ganze Grenze kontrollieren würde: "Wir erachteten, dass diese Präsentation der Information nicht korrekt war", sagt er.

Ende August und Anfang September sei weiters beobachtet worden, dass Aufständische OSZE-Fahrzeuge verwendeten und sich mit ihnen im Kampfgebiet bewegten: "Die OSZE hat sich zwar entschuldigt, gleichzeitig die Vorfälle jedoch nicht begründet. Damit war klar, dass es keine Garantien gibt, dass sich Derartiges in Zukunft nicht wiederholt."

Auch hätten Freischärler in zwei konkreten Fällen kurz vor dem Auftauchen einer OSZE Patrouille schweres Kriegsgerät versteckt, um es nach der Abfahrt der internationalen Inspektoren gleich wieder in Stellung zu bringen: "Uns war klar, dass jemand innerhalb der OSZE die Freischärler vorwarnt", sagt er. Man habe die Organisation darüber in Kenntnis gesetzt, Reaktion habe es jedoch keine gegeben.

Tymtschuk vermutet hinter diesen "eigenartigen" Vorgängen russische Staatsbürger, die für die OSZE arbeiten. Darunter seien Ex-Mitarbeiter des russischen Außenministeriums, aber auch ehemalige und aktive Angehöriger ziviler und militärischer russischer Geheimdienste. "Wenn wir 'S' für 'Sicherheit' in der Bezeichnung der OSZE ernst nehmen, dann können diese Funktionen nicht von Vertretern eines Staates ausgeübt werden, welcher der wichtigste destabilisierende Faktor in der Region ist."

Gleichzeitig verstehe er jedoch, dass das Format der OSZE bedeutete, dass alle Mitgliederstaaten an derartigen Mission teilnehmen: "Um dieses Format zu verändern, muss Europa deutlich eingestehen, dass Russland gegenüber der Ukraine als Aggressor auftritt." Danach würde sich die Frage der Teilnahme russischer OSZE-Beobachtern in der Ukraine, so erklärt Tymtschuk, von alleine lösen.