Smmorkofiehann?" - "Äh?" - "Some more coffee, honey?" - "Yes, please."

Merke: In den Südstaaten kommt man mit gepflegtem Oxford-Englisch nicht weit. Zweitens: Die Menschen dort sind (in der Regel) keine durchgeknallten Rednecks, die schwer bewaffnet durch die Straßen patrouillieren, sondern (in der Regel) überaus freundliche und friedliche Zeitgenossen. Drittens: Die fürsorglichen und nicht maulfaulen Kellnerinnen verüben allmorgendlich heimtückische Kalorienattentate auf ihre Frühstücksgäste.

- "Smmufohl?" - "Äh?" - "Some of all?" - "Ja, bitte, von allem etwas."

Heißt: Hamburger mit Chilisauce, Pfannkuchen mit Schinken und Sirup, Süßkartoffeln mit Sirup, Grits, eine Art Sterz, mit Sirup, dazu fünf Liter Kaffee. Wer das überlebt, wird mit einem himmlischen Lächeln belohnt.

- "Siejuhann!" - "See you, honey!"

Tennessee, Mississippi, Missouri. Noch bevor der Boden betreten wird, läuft das Kopfkino: Südstaaten, Bürgerkrieg, Rassenunruhen, Bürgerrechtsbewegung, Rosa Parks, Martin Luther King Jr., Baumwollfelder, Blues, Rock 'n' Roll. Im Flugzeug lief noch "Lincoln", jetzt flimmert in Tupelo, Mississippi, ein anderer Streifen über die Leinwand: "Elvis, sein Leben". In einem "Shotgun House", einem circa 30 Quadratmeter kleinen Holzhaus, kam hier am 8. Jänner 1935 Elvis Aaron Presley zur Welt. Ein heimeliges Museum und jene winzige Kirche, in der der blonde Bub seine ersten Gospels gesungen hat, locken an diesem windgeschüttelten Wintertag nur eine Handvoll Besucher an. John Lee Hooker, einer der vielen Paten des Blues, hat einen Song über die verheerende Flutkatastrophe in Tupelo im Jahr 1936 geschrieben, heute leben noch rund 30.000 Menschen in der Stadt. Wer kann, zieht weg. Nach Memphis, wie seinerzeit die Familie Presley. Nur die Älteren bleiben. "Tupelo, a certified retirement city", steht an der Stadteinfahrt auf einem Schild. Tupelo, die Stadt mit dem Pensionisten-Zertifikat.

Die Route 69 schneidet kerzengerade durch die Landschaft. Endlose Wälder, bizarre Sumpflandschaften, das Kopfkino liefert entlaufene Sträflinge und streunende Serienmörder dazu. Das ist nicht die Hochglanzfassade der USA, das sind die Hinterhöfe der Weltmacht. Wer die Ästhetik des Hässlichen, die pralle Schönheit des Verfallenen zu schätzen weiß, ist hier am richtigen Ort. Autofriedhöfe, Häusergräber, einsame Diners mit roten Kunstlederbezügen und mitten durch diese Endstation Sehnsucht schlängelt sich träge und mächtig der Ol' Man River, der

Mississippi, dieser Mystic River, an dessen Ufern so viel Leben, Leid und Lust stattfindet. Hier, im Delta, sind sie erstmals erklungen, die Wehklagen der schwarzen Baumwollpflücker, die ihren Schmerz in Songs kleideten und damit den Blues in die rassengetrennte Welt pressten.

150 Kilometer weiter, in Memphis, kam Jahrzehnte später das Baby des Blues zur Welt. Man taufte den Schreihals auf den Namen Rock 'n' Roll. Das Kind ist längst erwachsen, aber trotz hohen Alters noch immer guter Dinge. Die Stadt atmet nicht Musik aus, Memphis ist Musik. Hier betrat Elvis 1953 die Sun Studios, um für seine Mutter eine Geburtstagsplatte aufzunehmen, hier schlüpfte Carl Perkins in seine Blue Suede Shoes, hier steckte Jerry Lee Lewis sein Klavier in Brand, und hier startete Johnny Cash seine Gratwanderungen zwischen Country, Gospel und Rock. In Graceland hatte der inzwischen berühmt und fett gewordene Elvis die Gnade, einige Jahre glücklich zu sein, bevor er am 16. August 1977 im Sarg aus der weißen Villa getragen wurde. Heute ist der "Elvis Presley Boulevard" in Memphis ein geschmackloser Souvenirladen.

In der Beale Street haben noch die Eltern des Schreihalses ihr Zuhause. Der Blues brodelt durch die neonlichtüberflutete Straße. Im Club von B. B. King durchleidet ein mächtiger Sänger mit ebenso mächtiger Stimme seine Lesart des Klageliedes: "Ein Mann hatte eine nette Frau. Die nette Frau ging fort, das war die Geburt des Blues."

Der Ol' Man River zieht sein breites Schlammband durch Baumwollfelder und Provinznester mit "One Dollar"-Läden. Das Kaff Nutbush taucht aus dem struppigen Hinterland auf. Ein Haus, eine leere Fabrik. "Birthplace of Tina Turner" ist auf das Haus gepinselt. Keine City, keine Limits. Als sie 16 Jahre alt war, zog Anna Mae Pollock nach St. Louis, lernte dort das musikalische Genie und menschliche Arschloch Ike kennen, der Rest ist Musikgeschichte. In St. Louis fällt Schnee aus dem taubengrauen Himmel und umflockt den "Arch", das Wahrzeichen der Stadt. Das frühere Tor zum Wilden Westen quietscht eingerostet in den Angeln. Aus der Jukebox im "Blueberry Hill" hämmert "Roll over Beethoven". Chuck Berry hat von hier aus seinen Duckwalk und Riffs für die Ewigkeit in die Welt hinausgeschickt.

- "Smmofohl?", fragt die lächelnde Kellnerin. - "Ja, Honey, bring mir die Riesenportion, damit die Kalorien Rock 'n' Roll tanzen können."