Zwei Menschen, selbe Größe, selbes Gewicht, selbes Alter, können dennoch ganz unterschiedlich auf ein Medikament reagieren: Diese Erkenntnis steht am Beginn der sogenannten Pharmakogenetik, die laut manchen Experten die Medikamententherapie der Zukunft sein wird.
Dahinter steckt die Annahme, dass unsere Gene darüber entscheiden, wie ein Medikament im Körper wirkt. So gebe es zum Beispiel Menschen, die bestimmte Wirkstoffe besonders schnell abbauen – weil zum Beispiel der dafür zuständige Transporter im Körper im Übermaß vorhanden ist. Bei anderen wiederum kann dieser Abbauprozess viel langsamer ablaufen – weil zuständige Mechanismen mangelhaft ausgeprägt sind. Je nachdem müsse man die Dosis anpassen oder gleich ein anderes Medikament wählen.
Es beginnt mit einem Wattebausch
Anhand einer genetischen Testung könne analysiert werden, wie ein Mensch auf einen bestimmten Wirkstoff ansprechen wird – und in welcher Dosis er ihn benötigen wird, erklärt Max Wellan, Präsident der Apothekerkammer, im Rahmen der Fortbildungstage in Pörtschach. „Der Vorteil dieser Tests liegt darin, zu wissen, welche Arzneistoffe im Körper gut wirken“, sagt Wellan.
Um einen solchen pharmakogenetische Auswertung zu bekommen, braucht es zunächst einen Wattebausch: Damit wird ein Abstrich der Mundschleimhaut gemacht, aus dem wiederum ein Labor das genetische Profil ermittelt. „Man bekommt eine Auswertung für jene Enzyme, von denen man weiß, dass sie die Verarbeitung von Arzneistoffen im Körper beeinflussen“, sagt Wellan.
Am Ende stehe dann eine Liste, die mithilfe eines Ampelsystems anzeigt, welche Wirkstoffe bei einem selbst problematisch werden könnten. Eine solches Gesamtpaket kostet beim Anbieter Stratipharm zum Beispiel 500 Euro.
Statine und Psychopharmaka
Statine (Cholesterinsenker) und Psychopharmaka gelten als zwei Einsatzgebiete für die Pharmakogenetik: Bei depressiven Patienten müsse oft viel „herumprobiert“ werden, bevor das richtige Medikament in der richtigen Dosierung gefunden wird. Ein genetischer Test vorab könne viel Zeit sparen. Auch bei Statinen habe der Stoffwechsel einen großen Einfluss, wie und ob das Medikament wirkt.
„Das wird die Zukunft sein“, sagt Wellan. Er glaubt, dass eine solche pharmakogenetische Analyse in zehn Jahren bereits Standard sein werde. „Das Feld explodiert gerade“, sagt Wellan. Daher starten Österreichs Apotheker nun einen Selbstversuch: Die Apotheker können ein Testkit erwerben und somit für sich selbst ein Profil erstellen lassen.
Kritische Stimmen
Während Apotheker testen und Firmen wie das deutsche Unternehmen Humatrix bereits umfassende Pakete zur Testung und Speicherung der eigenen Daten anbieten, gibt es auch warnende Stimmen. Die deutsche Techniker Krankenkasse warnte vor genetischen Tests aus der Apotheke, da der Patientennutzen noch nicht mit Sudiendaten belegbar ist.
Anna Eichhorn, Gründerin der Firma Humatrix und Gast bei den Fortbildungstagen der Apothekerkammer, räumte selbst ein, dass es wohl Qualitätsstandards für die Labors brauche, die diese genetischen Auswertungen machen. „Denn es ist oft sehr schwierig, aus genetischen Daten eindeutige Empfehlungen für die Therapie abzuleiten“, sagt Eichhorn.
Und der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger, wissenschaftlicher Leiter der Fortbildung, unterstrich: „Für alle genetischen Tests gilt: Die Interpretation ist das entscheidende.“ Eine verlässliche Deutung der gewonnen Daten werde somit auch die Basis dafür sein, dass die Pharmakogenetik ihren Weg in die breite Anwendung findet.
Sonja Saurugger