Warum überrascht es niemanden, dass sich der ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetzein drittes Mal um den Chefposten in Österreichs größtem Medienunternehmen mit einem Umsatz von knapp einer Milliarde Euro bewerben wird? Überraschend war nur der Zeitpunkt der Ankündigung: Mitte dieser Woche, mehr als ein halbes Jahr bevor der Job gemäß ORF-Gesetz überhaupt ausgeschrieben wird.

Sein Aufstieg

Der promovierte Jurist, der im März 56 Jahre alt wird, kommt aus einem der FPÖ nahestehenden Elternhaus; politisch hat er sich bei der SPÖ engagiert. Wrabetz organisierte 1983 den Vorzugsstimmenwahlkampf von Josef Cap, war Bundesvorsitzender des Verbandes Sozialistischer Studenten Österreichs (VSSTÖ) ehe er in der politiknahen Wirtschaft (ÖIAG, Vamed) Karriere machte. 1998 holte ihn der damalige ORF-Generalintendant Gerhard Weis als kaufmännischen Direktor in die ORF-Zentrale am Wiener Küniglberg. Eine Regenbogenkoalition im ORF-Stiftungsrat hievte ihn im Sommer 2006 per 1. 1. 2007 an die Spitze des Unternehmens. Im April 2011 kündigte er seine Bewerbung für eine zweite Periode an und konnte im August 29 von 35 Stiftungsräten von sich überzeugen.

Wieso kündigt nun dieser Meister des Taktierens so früh sein Interesse an einer Verlängerung an? Weil er sicher ist, dass er es schafft? Oder hat er Angst vor politischen Ränkespielen?

Im Würgegriff


Der ORF ist ein Unternehmen im Würgegriff der Politik. Sein oberstes Kontrollorgan, der 35-köpfige Stiftungsrat, wird politisch besetzt. Je einen Vertreter schicken die sechs Parlamentsparteien, neun Personen delegiert die Regierung, je einen Stiftungsrat schicken die Bundesländer, sechs kommen aus dem Publikumsrat, dazu fünf Zentralbetriebsräte.

Farbenspiele

Nur 3 (!) der 35 sind parteiunabhängig: derzeit der steirische Caritas-Direktor Franz Küberl und die Zentralbetriebsräte Christiana Jankovics und Gerhard Moser. Nach gängiger Farbenlehre bekennen sich 13 zum SP- und 14 zum schwarzen "Freundeskreis". Für eine Bestellung als ORF-Alleingeschäftsführer braucht's 18 Stimmen im Stiftungsrat. Im Februar wird sich der ORF-Zentralbetriebsrat neu konstituieren. Ändern sich dort die Mehrheitsverhältnisse, hat das Auswirkungen auf die Beschickung des Stiftungsrats durch die Personalvertreter: Derzeit werden neben zwei Unabhängigen zwei der SP und eine der VP zugezählt. Wird das bürgerliche Lager gestärkt, meinen die Kaffeesudleser, dann könnte der jetzige kaufmännische Direktor, der aus dem ORF Niederösterreich kommende Richard Grasl, gegen Wrabetz antreten.

Für die mancherorts kolportierte Doppelspitze im ORF bräuchte es eine Gesetzesänderung, die derzeit von Medienminister Josef Ostermayer in Abrede gestellt wird. Auguren verweisen, dass die ORF-Wahl mit der Neubestellung des Rechnungshofpräsidenten junktimiert werden könnte. Wir werden sehen.