Dass er das Bach-Konzert im Wiener Musikverein am 5. Dezember nicht dirigieren würde, war bekannt: Das hatte Nikolaus Harnoncourt Ende November krankheitshalber abgesagt, Erwin Ortner sprang ein. Überraschend lag dann aber dem Programmheft die Kopie eines handschriftlichen Briefes bei, in dem der Ausnahmedirigent der Öffentlichkeit seinen völligen Rückzug vom Pult verkündet: „Meine körperlichen Kräfte gebieten eine Absage meiner weiteren Pläne.“ Er hoffe, so Harnoncourt weiter, dass von der „ungewöhnlich tiefen Beziehung“ zwischen Podium und Publikum, von der „glücklichen Entdeckergemeinschaft“, die man aufgebaut habe, vieles bleiben werde.
Der Abschied kommt plötzlich, aber nicht ganz überraschend. Harnoncourt, der am 6. Dezember seinen 86. Geburtstag begeht, hat 2015 mehrere Konzerte aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen, darunter ein Konzert im Rahmen der styriarte. Dennoch plante das steirische Festival 2016 ein Großprojekt mit ihm: Erstmals wollte Harnoncourt alle neun Sinfonien von Ludwig van Beethoven mit dem Concentus Musicus aufführen. „Das Projekt bleibt aufrecht, auch wenn wir es möglicherweise adaptieren“, so styriarte-Intendant Mathis Huber in einer ersten Reaktion.
Umplanungen erforderlich
Harnoncourts Rückzug trifft den Manager nicht völlig unvorbereitet, „aber wenn man mit Harnoncourt planen kann, hat man keinen Plan B in der Lade“. Man werde das Festival nun umplanen: „Wir haben dafür ja ein halbes Jahr Zeit.“ Dass man die seit jeher stark auf Harnoncourt fokussierte styriarte nun eventuell neu erfinden müsse, verneint Huber: „Was die styriarte in Zukunft sein wird, wird sie von Harnoncourt gelernt haben. Er hat uns gelehrt, nicht nur als Diener der Kunst, sondern auch als Diener des Publikums zu agieren.