Worum geht’s im neuen „Tatort“-Fall aus Niedersachsen?
ANTWORT: Die Kommissare Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) observieren Asylwerber aus Afrika, die für eine Schlepperbande arbeiten sollen. Als sich einer bei der Festnahme wehrt, schlägt ihn Falke brutal zusammen. Der Mann kommt in die Zelle. Am nächsten Morgen ist er tot: verbrannt. Eigentlich wären die Bundespolizisten gar nicht zuständig. Aber Falke drängt darauf zu bleiben, sein schlechtes Gewissen treibt ihn an.
2. Und worum geht’s eigentlich in dem Fall „Verbrannt“?
ANTWORT: Um institutionalisierten Rassismus, einen manipulativen Beamten, der Gott spielt und seine Untertanen in den Krieg treibt. Die Geschichte ist eingebettet in ein Dorf, das sich in seiner Abwehrhaltung gegenüber Fremden eingerichtet hat, zusammen und dicht hält. Aussteigen aus dem provinziellen Rachefeldzugsverein? Unmöglich.
3. Wie glaubwürdig ist dieser Krimi?
ANTWORT: Sehr glaubwürdig. Denn dieser „Tatort“ beruht auf einem wahren Fall: 2005 verbrannte Oury Jalloh, ein Asylwerber aus Sierra Leone, an Händen und Füßen gefesselt, in einer Polizeizelle im deutschen Dessau. Trotz Verfahren sind die Umstände seines Todes bis heute nicht restlos geklärt. Autor Stefan Kolditz und Regisseur Thomas Stuber haben die Geschichte fiktionalisiert in ein trostloses, nebelverhangenes Dorf in Niedersachsen gepflanzt.
4. Wie schlagen sich die Ermittler Falke und Lorenz?
ANTWORT: Es ist Lorenz’ letzter Fall. Auf Petra Schmidt-Schaller folgt die Österreicherin Franziska Weisz. Den Ermittlern wird trotz knochenharter Polizeiarbeit viel Raum für Emotionen und Abschiedsmelancholie gegeben. Und Falke (Wotan Wilke Möhring) lässt so tief in seine Abgründe blicken wie noch nie. Auch Lorenz legt einen verzweifelten Seelenstriptease hin.
5. Und wie spannend ist der Kriminalfall?
ANTWORT: Der Fall ist hartes, ehrliches Polizisten-Fernsehen, auf Genre-Schnickschnack wird verzichtet. Es ist, als ob die Kamera (Alexander Fischerkoesen) das einfängt, was die Kommissare sehen. Das fördert die Spannung, weil es ein Netz flicht aus fehlenden Beweisen und dunklen Vorahnungen. Eine aufwühlende, bildgewaltige Collage.
6. Woran hakt die „Tatort“-Folge aus Norddeutschland?
ANTWORT: Immer wieder an der Besetzungsstrategie. Julius Feldmeier, Charakterbösewicht, war auch im letzten Wiesn-„Tatort“ zu sehen und nun schon wieder. Derlei fehlende Koordination unter den „Tatort“-Schurken muss echt nicht sein.
7. Soll man heute Abend um 20.15 Uhr (ARD) einschalten?
ANTWORT: Unbedingt. Der Fall zeigt die Stärke der „Tatort“-Reihe auf – als Seismograf realpolitischer Missstände.