Wir wollten an dieser Stelle möglichst nicht über Geld sprechen, bei Ihnen müssen wir wohl: Wie viel Subventionsgelder vorverantwortet denn eigentlich das Kulturkuratorium?
IGO HUBER: Plus minus zehn Millionen Euro pro Jahr, wobei der größte Teil der Förderungen an die freie Szene direkt vom Kuratorium empfohlen wird, der Rest erfolgt über die Kulturabteilung.
Nach den letzten Entscheidungen des Kuratoriums über mehrjährige Förderungen gingen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Ungerechtigkeiten die Wogen hoch. Wie wollen Sie diese glätten?
HUBER: Solche Vorwürfe kommen ja immer aus durchaus verständlichen Enttäuschungen heraus, wenn nicht wie erhofft subventioniert wurde. Es geht übrigens nicht ums Glätten, sondern um die Bewusstmachung, dass zuvor gewährte Förderungen nicht auf ewig 1 : 1 fortgeschrieben werden können, da herrscht bei Antragstellern oft ein grundfalscher Zugang. Und bei schmelzenden Budgets ist das Kuratorium mehr denn je gefordert, für verantwortungsvolle Verteilung und auch Umverteilung zu sorgen. Redimensionierung ist in Zeiten wie diesen unser täglich Brot, bei den Gebern wie bei den Nehmern.
Die Kuchen werden kleiner und mit der wachsenden Menge der Bewerber logischerweise auch die Kuchenstücke. Wann zuckt das kritische Auge des Kuratoriums?
HUBER: Wenn das eingereichte Projekt an sich nicht stimmt, also zum Beispiel schlicht die Qualität, der kulturpolitische Aspekt oder die Effizienz eines Programmpunktes anzuzweifeln sind. Oder wenn – was oft vorkommt – Traum und Wirklichkeit extrem auseinanderklaffen, also etwa Budgets weit von den Rechnungsabschlüssen abweichen. Oder wenn wir ressortmäßig unzuständig sind: Wir fördern keine Infrastruktur, keine Schule und auch keine Bildung. Wegen Letzterem kam ja der Vorwurf der gekürzten Akademie Graz, wir hätten einen zu engen Kulturbegriff: Mag sein, aber sonst wären wir wohl gleich für alles zuständig.
Eine immer wieder geäußerte Kritik lautet, die Kuratoriumsmitglieder seien parteiisch bis parteipolitisch und urteilen dementsprechend nicht objektiv.
HUBER: In der Sache gibt es naturgemäß keine klassische Objektivität, bei der man bloß Kriterienpunkte abhaken muss. Aber das Kuratorium ist mit 15 ausgewiesenen Experten besetzt, die nach ausführlichen Debatten möglichst fair beurteilen. Natürlich hat jedes Mitglied seinen Hintergrund und kennt seine jeweilige Szene, darüber gibt es immer wieder Diskussionen. Dennoch: Ich halte das Kuratoriumssystem für optimal. Mit den Einreichterminen haben wir die Chance, uns in der Wettbewerbssituation der Antragsteller einen Gesamtüberblick mit guter Vergleichbarkeit zu verschaffen. Und der Vorwurf, wir würden die Fachbeiräte nie beiziehen, stimmt nicht, zuletzt griffen wir bei einem Drittel der Fälle auf sie zurück.
Sie können also trotz herber Kritik in den Spiegel schauen?
HUBER: In den Spiegel schauen heißt, seine Redlichkeit zu überprüfen. Und die stimmt in jedem Fall. Was nicht heißt, dass wir uns nicht Anpassungen und Verbesserungen überlegen. Zum Beispiel wollen wir Kürzungen, Abweichungen oder negative Förderentscheidungen künftig besser und offiziell begründen.
Einspruchsrecht gab es schon bisher, manche fühlten sich dabei aber wie bei der Inquisition.
HUBER: Das hat wohl mit der Situation zu tun – als Einzelner vor 15 Leuten sein Projekt noch detaillierter erklären zu müssen. Wir müssen aber nachbohren, es geht schließlich um öffentliches Geld.
Kritik am Prozedere kam auch intern: Margarethe Makovec verließ im Juli wegen „autoritären Führungsstils“ das Kuratorium, andere loben Ihre „große Empathie“. Wo liegt denn die Wahrheit?
HUBER: Zunächst einmal bedaure ich den Abgang von Makovec, sie war eine wichtige und einflussreiche Stimme im Gremium. Schade nur, dass sie einen persönlichen Angriff als Begründung wählte. Und zum „autoritär“: Ich nenne es „effizient“. Wir diskutieren viel und hart, jeder kann überstimmt werden oder mit seiner Meinung scheitern. Wir haben allerdings 700 Anträge pro Jahr durchzuackern, da muss man Entscheidungen herbeiführen. Es herrscht übrigens das Mehrheitsprinzip, und bei den letzten 201 Anträgen für dreijährige Förderungen gab es nur einmal keine einhellige Meinung.
Was soll die Kulturpolitik?
HUBER: Zunächst soll sie sich nicht einbilden, die freie Szene steuern zu können. Und sie soll Mut zum Risiko beweisen. Wir im Kuratorium sind für alles offen und stützen neben dem Bekenntnis zu Traditionsprojekten mit unseren Beschlüssen auch die Bereitschaft für Neuproduktionen.
Sie haben beim Markenzeichen unserer Gesprächsreihe das Verkehrsschild „Mehrspurigkeit“ gewählt. In diesem Zusammenhang: Schließen sich für Sie die Spuren Qualität und Quote aus?
HUBER: Nein, denn Quote ist nicht das Kriterium, aber ein Kriterium. Darum werde ich narrisch, wenn ich Sätze wie vom scheidenden Joanneum-Chef Peter Pakesch lese, der gestern in Ihrer Zeitung, grob übersetzt, gesagt hat: Ich biete Qualität und deswegen kommen keine Leute. Diese Arroganz habe ich ihm auch schon selbst vorgeworfen: Mit solchen Ansagen versteckt man sich und lenkt vom eigenen Versagen ab. Ich kann ja als Kulturmanager nicht einfach behaupten, das Publikum geht mich nichts an, es ist ohnehin zu deppert für das, was ich mache.