Peter Truschners Text "RTL-Reptil" handelt von einem Mann, der Poker-Schulden bei jemandem gemacht hat, mit dem nicht zu spaßen ist. Als letzten Ausweg plant er den Einbruch bei einem alten Ehepaar. Doch er wird auf der Suche nach Geld in der fremden Wohnung von der heimkehrenden alten Frau überrascht. Die Jury stritt anschließend über mögliche Vorbilder zwischen Tarantino und Horvath und ortete mehrheitlich ein Defizit im Umgang mit jener Phrasenhaftigkeit, die der Text ausstelle.

Klaus Kastberger sah "einen riesiggroßen Haufen von Floskeln", abgeladen möglicherweise "von einem Agenten eines Privatsenders mitten in den Bildungsauftrag des ORF hinein". Hubert Winkels fand die Schuldfrage "subtil gebaut", doch der Autor bekomme "die Erzählhaltung nicht in den Griff" - ein Urteil, das von Meike Feßmann geteilt wurde. Sie sah in dem Text "eine Männerfantasie" mit einem dominanten Vater im Hintergrund, "interessant gemacht", aber unglücklich in der Etablierung einer auktorialen Erzählerfigur trotz einer starken Innensicht der Figur ("literarisch nicht gelungen"). Hildegard Keller ortete "Welterklärungspose", Sandra Kegel "Sozialarbeiter-Agitprop". Stefan Gmünder, der Truschner eingeladen hatte, sah den Text aufgespannt zwischen "Allmachtsfantasien und Ohnmacht": "Mit dieser Figur verlassen wir eine literarische Komfortzone." Und Juri Steiner fand den Text "interessant", gegen seine Phrasenhaftigkeit hatte er - trotz heftigen Widerspruchs Kastbergers - nichts: "Die Welt ist Phrase."

Die in Niederösterreich geborene Michaela Falkner, die als FALKNER beim Wettlesen antrat, nennt ihre Texte "Manifeste". Manifest 47, ihr Bachmann-Text, trägt den Titel "Krieger sein Bruder sein". Es schildert ein Morden von Scharfschützen, die in Kirschbäumen sitzen, und etwa jeden erschießen, der mit den Kirschkernen nicht weit genug spucken kann. Gewalt und Zuneigung verdichten sich in brutalen, absurden Bildern, in denen viel Blut fließt und einzelne Körperteile ebenso wenig wert sind wie ganze Leben.

Die Jury zeigte sich in der Bewertung des Textes deutlich uneins, diskutierte den Gattungsbegriff des Manifests und mögliche Lesarten zwischen Allegorie und "Zombie-Zone" (Winkels). Feßmann suchte für den Text ein anderes Wort als langweilig und fand "ergebnislos", Sandra Kegel fand "als Muster nichts Neues", und Winkels nannte ihn unter der brutalen Oberfläche "latent friedensstiftend". Hildegard E. Keller sah "viele Köder" in dem Text ausgelegt, der für sie jedoch nur im Vortrag funktioniert habe.

Tim Krohns Text "Zum Paradies" konfrontierte das Publikum mit Adam und Eva nach dem Auszug aus dem Garten Eden. Sie versuchen sich zurecht zu finden, doch weder will der Hausbau noch die Ernährung klappen, denn Adam ist ein rechter Stümper. Tragikomisch schildert Krohn den Zweifel des Paares an seinem Tun, vor allem wenn es ans Töten von Tieren geht, an deren Fell es herankommen will. Ob ihr Tun Gottes Billigung findet, wissen die beiden ebenso wenig wie, ob Gott überhaupt noch bei ihnen ist.

"Dass die Story von Adam und Eva so gut ist, wusste ich nicht", meinte Juri Steiner, der Krohn eingeladen hatte. Feßmann fand "eine Parabel, ein kleines Lehrstück", in dem die Menschheitsgeschichte noch einmal kurz durchdekliniert werde. "Sprachlich finde ich die Bibel doch sehr viel interessanter." Keller fand Anklänge eines Jugendbuchs, Sandra Kegel einen "veganen Ursprungstext, eine Art Veganesis". Das Naschen am Baum der Erkenntnis habe Adam und Eva wohl "nicht viel gebracht", meinte Kastberger, das Reflexionsniveau der Figuren sei das eines Sechsjährigen. "Ich finde den Text auf eine groteske Weise misslungen", sprach Winkels ein hartes Urteil.

Die literarische und nicht die kulinarische Qualität des Gebotenen stand Donnerstag Abend auch im Mittelpunkt der Gespräche beim traditionellen Empfang der Stadt Klagenfurt im Garten des Schlosses Loretto. Die Einsparungen, die bei den 39. Tagen der deutschsprachigen Literatur die frühere Opulenz der Buffets eingeschränkt und sich auch im Minimalismus des diesjährigen Bühnenbilds bemerkbar gemacht haben, gehen sichtlich nicht an die Substanz der Veranstaltung. Man müsse sich um den Fortbestand des Bachmann-Preises keine Sorgen machen, versicherte auch Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ). Das 40-Jahr-Jubiläum des Wettbewerbs im kommenden Jahr sei "ein schöner Anlass, das nächste Jahrzehnt anzupeilen".

Am Nachmittag werden Monique Schwitter und die umstrittene deutsche Autorin Ronja von Rönne lesen.