"Wir haben im Arsenal ungewöhnlich lange und völlig ungestört arbeiten können. Die Besetzung ist perfekt - was ja bei einer so personenarmen Oper besonders wichtig ist. Direktor Meyer hat das exzellent zusammengestellt", sagt Brook im APA-Gespräch. Heißt das, sie selbst hat keinen Einfluss mehr darauf gehabt? "Was glauben Sie? In der Welt der Oper bin ich ein Niemand, da habe ich keine Wahl." Auch der Umstand, dass sie nach "L'Elisir d'Amore" an der Deutschen Oper Berlin vor einem Jahr nun wieder eine komische Oper von Donizetti inszeniere, sei nicht von ihr intendiert, sondern bloß "reiner Zufall".

Aber wenn sich Juan Diego Florez (Ernesto) bei der Arbeit als Opernstar ohne Starallüren entpuppe ("Er spielt wunderbar und hat einen unglaublichen Theaterinstinkt. Okay, er möchte nicht so gerne warten, aber das verstehe ich, er hat ja auch sonst wirklich viel zu tun.") und die zauberhafte Erscheinung der moldawischen Sopranistin Valentina Nafornita (Norina) alle Opernsängerinnen-Träume von Brooks 12-jähriger Tochter auf sich vereine, dann ist die Opernwelt für Irina Brook ohnedies in Ordnung.

Die Opera buffa, deren Figuren und Stereotypen aus der Commedia dell'Arte kommen, sei ein ideales Metier für sie, meint die Regisseurin: "Ich liebe es, im Theater zu lachen." Entgegen komme ihr, dass man in "Don Pasquale" viel psychologischer arbeiten könne als im "Liebestrank". Und man möge bloß nicht glauben, dass die Geschichte rund um den alten Galan Don Pasquale (Michele Pertusi), der sich nach einer jungen Frau verzehrt und tatsächlich glaubt, fehlende Jugend mit Macht und Geld wettmachen zu können, altmodisch sei. "Diese Konstellation läuft Ihnen an der Cote d' Azur ununterbrochen über den Weg."

An der Cote d'Azur ist Irina Brook derzeit häufig. Sie leitet mit dem Theatre National de Nice ein 1.000-Plätze-Haus. Ihre erste Saison hat sie Ende September mit jener "Peer Gynt"-Inszenierung eröffnet, die sie 2012 im Rahmen der Salzburger Festspiele auf der Halleiner Perner Insel herausgebracht hat. "Ich hatte in Nizza versprochen, alles ein wenig umzukrempeln. Also hab ich zu Beginn gleich einmal Farbe bekannt: Ein Stück des Norwegers Ibsen, auf Englisch gespielt von einem multikulturellen Ensemble. Für die Franzosen war das schon eine deutliche Ansage."

Einerseits will sie in ihrer übrigen Programmierung dazu beitragen, dass Shakespeare auch in Frankreich endlich jener Stellenwert erhält, den er in der restlichen Theaterwelt einnimmt, andererseits sieht sie ihre Tätigkeit auch als Bildungsarbeit, die - zumal in einer Region mit großem Zulauf zur Rechtspartei Front National - dazu beitragen kann, helfend und aufklärend zu wirken. "Das Land steckt in einer tiefen Krise. Es müsste so viel geändert werden. Theater ist sicher nicht die Lösung, kann aber dabei mithelfen." Auch Vater Peter Brook, kürzlich 90 geworden, hilft mit und wird mehrfach am Theater seiner Tochter in Nizza arbeiten.

Brooks "Peer Gynt"-Interpretation lebte von einem starken Grundeinfall: Sie zeigte die Hauptfigur als alten Rockstar (Brooks Ex-Freund Iggy Pop stand dafür Pate und lieferte auch einen Rocksong), der sich an sein Leben erinnert. Was ist die Grundidee ihrer "Don Pasquale"-Inszenierung? "Ich stelle mir vor, Don Pasquale ist der Direktor eines alten Nightclubs, der in den 60er-, 70er-Jahren seine Hochblüte gehabt hat und seither etwas schäbig geworden ist. Es ist ein Ambiente, in dem wohl 30 Jahre nicht mehr sauber gemacht worden ist..."