Ein dreijähriges Kind, das in einem schäbigen Koffer versteckt ist, wird für eine Gruppe Häftlinge kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald zur Zerreißprobe: Finden die SS-Schergen den kleinen Jungen, bedeutet das für ihn und seine Beschützer den sicheren Tod.

Der 1958 erschienene Roman "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz gehörte in der DDR zur Schullektüre, wurde in 30 Sprachen übersetzt und 1963 von Regisseur Frank Beyer verfilmt. Jetzt hat sich die ARD an eine aufwendige Neuverfilmung des bewegenden Stoffes gewagt, Anlass ist der 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald am 11. April. Das mit einem Budget von fünf Millionen Euro gedrehte TV-Drama "Nackt unter Wölfen", das am Mittwoch dem 1. April um 20.15 Uhr auch in ORF 2 läuft, erzählt von den barbarischen Bedingungen des Lagerlebens, schockiert mit Folterszenen und überzeugt mit einer spannenden Geschichte, die den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute mit den Protagonisten bangen lässt.

"Die Wahrnehmung von ‚Nackt unter Wölfen‘ mag schmerzhaft sein, auch kontrovers und irritierend, aber der Film setzt eine große innere Trauer frei", sagt Produzent Nico Hofmann, der zwei Jahre nach seinem preisgekrönten Geschichtsdrama "Unsere Mütter, unsere Väter" erneut Maßstäbe setzen will. "Wir können natürlich kein authentisches Abbild der Realität liefern, sondern eine künstlerische Annäherung", ergänzt der Chef der Produktionsfirma UFA Fiction, der bei seiner Umsetzung auf große Stars verzichtet hat.

Menschlichkeit als Risiko

Die Hauptrolle in der von Regisseur Philipp Kadelbach packend inszenierten Literaturverfilmung ist mit Florian Stetter hervorragend besetzt. Der 37-Jährige spielt den Häftling Hans Pippig, der den dreijährigen Buben (Vojta Vomácka) wenige Wochen vor der Befreiung des Konzentrationslagers in der Kleiderkammer in einem Koffer entdeckt, den ein polnischer Leidensgenosse mit ins Lager gebracht hat. Pippig und den anderen Häftlingen, die er in seinen Fund einweiht, ist klar, dass sie sich selber in höchste Lebensgefahr bringen, wenn sie das Kind vor den SS-Wachen verstecken. Trotzdem gehen sie das Risiko – manche von ihnen freiwillig, andere höchst widerwillig – ein, weil sie begreifen, dass es hier auch um den Wert der Menschlichkeit an sich geht.

Bernhard Conrad spielt SS-Unterscharführer Hoffmann
Bernhard Conrad spielt SS-Unterscharführer Hoffmann © MDR

"Wenn wir den Jungen opfern, opfern wir alles", appelliert Pippig an Höfel (Peter Schneider), Bochow (Thorsten Merten) und die anderen. Doch der sadistische SS-Offizier Reineboth (Sabin Tambrea) bekommt Wind von der Sache und setzt alle Hebel in Bewegung, um das versteckte Kind zu finden. Dabei schreckt er auch vor Folter nicht zurück, die zum Alltag gehört.

MARTIN WEBER