Mit "Braunschlag", einer im tiefsten Waldviertel verankerten urösterreichischen Nabelschau, hat David Schalko (42) dem ORF 2012 einen Quotenhit beschert. Ein dementsprechender Hype ging seiner nun präsentierten Miniserie "Altes Geld" voraus. Umso wichtiger war es dem Regisseur und Autor, mit der achtteiligen Familiensaga eine andere Welt zu betreten, wie er im Interview erzählt.
Vom Waldviertler Nest in "Braunschlag" ins gehobene Wien: Woher kam die Inspiration für die Geschichte einer dysfunktionalen Familie?
DAVID SCHALKO: Dieser Ton und diese Bilderwelt, diese Art von Universum, die "Altes Geld" hat, trage ich schon länger mit mir herum. Ich wollte schon länger etwas über eine reiche Familie machen, die sich genremäßig an diesen Familiensagas und an einer epischen, Soap-Opera-artigen Haltung orientiert, und aus dem heraus ist das entstanden. Außerdem war es mir wichtig, nach "Braunschlag" etwas zu machen, das eine ganz andere Welt repräsentiert und atmosphärisch anders ist, damit man sich nicht wiederholt, sondern neues Land für sich selbst betritt. Ein Land, das anderen Gesetzmäßigkeiten folgt.
Die Familiengeschichte wird mit zahlreichen Themen gefüttert - von Korruption über Spielsucht bis Inzest. War es in der Ideenfindung schwer, sich da mancher Bereiche auch zu entledigen?
SCHALKO: Das Schöne an Serien ist, dass man sehr viel erzählen und einen breiteren Bogen spannen kann. Da kann man viel hineinpacken, es muss nur - so wie im Leben, wo ja auch alles vorkommt - figurenstimmig sein und sich nicht draufgepappt anfühlen. Es ist ein wirklich großes Ensemble, das sehr viele Figurenfacetten aufmacht und dadurch bieten sich automatisch viele Themen an.
Diese einzelnen Figuren werden in der Handlung konstant aufgegriffen und nie lange allein gelassen. Wie herausfordernd war es, all diese Charaktere unter einen Hut zu bekommen?
SCHALKO: Das Wichtigste ist, dass man die Figuren gleichberechtigt behandelt und man das Gefühl hat, dass sie alle auf irgendeine Art gleichzeitig da sind und nie ganz verloren gehen. Es ist in erster Linie eine Ensembleserie. Das finde ich auch das Schöne daran, dass man in einer Serie die Zeit hat, all diese Verstrickungen einzuflechten. In einem 90-minütigen Kinofilm wäre das viel schwieriger.
Wie viel Recherche über diese gehobene Gesellschaftsschicht floss letztendlich in Ihr Drehbuch ein?
SCHALKO: Es sind viele eigene Gedanken eingeflossen, viel, was ich gelesen habe über die letzten Jahre. Das sind Themen, mit denen wir uns alle schon seit Jahren beschäftigen: Dass es eine Elite gibt, eine Zweiklassengesellschaft, in der sich eine Klasse immer mehr abkoppelt vom Rest der Gesellschaft und auch immer weniger greifbar wird; dass Korruption immer mehr zur Staatsräson erklärt wird. Das kennen wir und das versucht "Altes Geld" auch zu verhandeln, aber nicht auf eine theoretische Weise, sondern auf eine innerseelische Art. Es ist kein ausschließlich gesellschaftspolitisches Bild, dazu ist es zu sehr Genremärchen. Es will eine eigenständige Welt sein.
Zeitgleich kann man einzelne Figuren der Serie realen Personen zuordnen, wenn man das möchte.
SCHALKO: Wenn man möchte, ja. Es ist ja nicht so, dass mit dem Bürgermeister in der Serie der amtierende Bürgermeister in Wien gemeint ist, es ist vielmehr eine Politikermentalität gemeint. Da geht es nicht um Entsprechungen in der Realität. Dieses Missverständnis entsteht ausschließlich dadurch, dass der trinkt, aber in der Geschichte Wiens sind sehr viele trinkende Bürgermeister zu finden.
Letztendlich hilft es dem Zuseher ja auch, aufgrund von Parallelen zu einer realen Person schneller ein Gefühl für die Figur zu bekommen.
SCHALKO: Erstens das, und zweitens spielt die Serie natürlich damit. Es ist aber eine fiktionale Geschichte, keine Satire, Karikatur oder politisches Kabarett, sondern eine Figur, die in der Serie auch aus einem gewissen Grund trinkt.
Anders als "Braunschlag" lässt sich "Altes Geld" weniger verorten. Ist die Geschichte eher an einen anderen Schauplatz verlegbar?
SCHALKO: Es gibt keine Geschichte auf der Welt, die überall spielen kann, es gibt immer eine Art von Verortung. In dem Fall verortet es sich vielleicht weniger in einem konkreten Ort als "Braunschlag", der ganz klar einer regionalen Zone zuordenbar ist, sondern eher in einer ästhetischen Welt, die viel mehr am Surrealen entlang tänzelt. Es gibt aber auch Dinge, die sich ganz klar in Wien verorten oder woanders. Das Universale in der Geschichte liegt eh immer im Kleinen. Es wird immer das Menschsein an sich erzählt.
"Altes Geld" ist statisch inszeniert, die Dynamik liegt in den Dialogen. Was war Ihre Intention dabei?
SCHALKO: Die, dass jedes Bild wie ein kleines Gemälde wirkt, sehr ausgestaltet und komponiert ist. Es erzählt sehr unaufgeregt und sehr cineastisch und lässt der Sprache sehr viel Raum, das ist mir wichtig - auch, dass Musik, Dialog und Bild sehr liquide zu einem werden, untrennbar sind.
Auch wenn die Figuren gleichberechtigt sind, steht und fällt die Geschichte mit jener des Patriarchen Rolf Rauchensteiner, den Sie ursprünglich mit Gert Voss besetzt haben. Wie tragisch war dieser Einschnitt durch Voss' Tod für das Projekt, und wie schnell fiel die Wahl auf Udo Kier als Ersatz?
SCHALKO: Das war für alle sehr tragisch, vor allem natürlich für die Familie. Ich fand es sehr schade, dass Gert das nicht fertig machen konnte, weil wir sehr viel daran gearbeitet haben und es auch ein sehr großer Wunsch war von ihm. Es gab dann die Aufgabenstellung, innerhalb von einer Woche jemanden zu finden, der einspringt, weil man ja weiterdrehen muss. Ich wollte jemanden, der eine völlig andere Welt repräsentiert, damit es nicht den Vergleich gibt, jemand würde versuchen, in die Fußstapfen von Gert Voss zu treten. Er sollte diese Rolle völlig anders interpretieren, denn umgeschrieben habe ich sie nicht. Da war Udo für mich der Idealfall, weil ich mit ihm schon immer arbeiten wollte und er dem Ganzen eine ganz eigene, schillernde Note gegeben hat, die sich sehr in diese Welt, wie sie da gestanden ist, einfügt - wie ein Puzzleteil, das noch gefehlt hat. Er hat auch einen wirklich neuen Spirit hineingebracht und allen sehr geholfen, über so etwas Schweres hinweg zu kommen.
INTERVIEW: Christoph Griessner und Angelika Prawda, Austria Presseagentur