Für reichlich Gesprächsstoff sorgt dieser Tage ORF-Journalist Raimund Löw (63) in China. Zu Jahresbeginn verlegte er sein Korrespondenten-Büro von Brüssel nach Peking und war in dieser Funktion am Sonntag auf der einzigen Pressekonferenz, die Chinas Regierung im Jahr abhält - stets im Anschluss an den zehntägigen Volkskongress der Kommunistischen Partei. Am Podium saß mit dem Premierminister Li Keqiang der zweitwichtigste Mann des Landes mit 1,3 Milliarden Einwohnern, vor ihm rund 900 Journalisten. Raimund Löw durfte seine Frage an den Politiker jedoch nicht stellen. Traditionell sind Fragen von Korrespondenten vorab dem Außenministerium vorzulegen, die des Wieners wurde als unpassend abgelehnt. 

"Plötzlich habe ich aber gehört, dass ein Sender mit ,F' aufgerufen wurde und die Saaldiener bewegten sich mit dem Mikro auf mich zu", erzählt Löw der Kleinen Zeitung.  "Da habe ich mich gefreut, denn wenn man mir bei einer Pressekonferenz das Mikrofon hinhält, dann nehme ich es und stelle meine Frage." 

Der Korrespondent wollte von Li Keqiang wissen, was ihm das Ministerium zuvor untersagte: "Wie steht China zur anhaltenden Präsenz russischer Truppen auf ukrainischem Territorium und gehört die Krim zu Russland oder der Ukraine?" Die Verwunderung im Saal war groß, denn für Löw war das Mikrofon natürlich nicht bestimmt. Die Saaldiener waren vielmehr auf dem Weg zu seinem Kollegen von EFE, der spanischen Nachrichtenagentur, der neben Löw saß. Allerdings verstand er im vorangegangenen Aufruf nur "F" nicht EFE. "Die Pressekonferenz wird in ganz China live übertragen und da war das deutlich zu hören. Im Saal allerdings nicht", erinnert sich Löw.

Seit Jänner für den ORF in China: Raimund Löw
Seit Jänner für den ORF in China: Raimund Löw © ORF


Aber, der Premierminister hat sich Löw gestellt: "Zuerst hat er a bissl g'schaut, weil er eine andere Frage erwartet und eine andere Antwort vor sich liegen gehabt hat", erzählt Löw. Li Keqiang habe dann aber souverän geantwortet: "Allerdings ist die Position nicht total ident mit der russischen Sichtweise", wunderte sich Löw. "Wenn Keqiang sagt, China stelle sich einen Dialog über die Krim vor, dann ist das nichts, was Wladimir Putin freut. Da hat China schon einen anderen Zungenschlag als sein Freund Russland."

Raimund Löw bei chinadaily.com
Raimund Löw bei chinadaily.com © chinadaily.com

In vielen chinesischen Medien wird derzeit über den Korrespondenten aus Österreich berichtet, der sich das Mikrofon einfach "geschnappt" habe, wie etwa Phoenix Media schreibt. Die Reaktion seiner chinesischen Kollegen sind dabei zwiegespalten: "Auf der einen Seite habe ich gegen die Etikette verstoßen, andererseits wurde durch die Reaktion des Premierministers auch gezeigt wie souverän Chinesen mit so etwas umgehen. Und die Szene eignet sich auch dafür zu zeigen, hier in China ist eh alles nicht so getürkt", sagt Löw, der von Seiten des Ministeriums keine Konsequenzen befürchtet.

"Es ist ein völlig anderes Arbeiten", resümiert Löw nach dreieinhalb Monaten in China. "Es ist natürlich eine Diktatur und es herrscht Internetzensur. Allerdings funktionieren die Mobiltelefone sehr gut." Bleiben möchte er noch länger: "Ich bin erst seit Anfang des Jahres da und so schnell bringt man mich nicht weg."