Eine 33-jährige Frau, die am 7. Februar 2015 ihren um 23 Jahre älteren Ehemann in der Hasnerstraße in Wien-Ottakring niedergestochen hatte, ist am Donnerstag im Landesgericht zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Motiv der Bluttat: Der Ehemann soll nicht nur die Angeklagte gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen, sondern sich auch an einer ihrer Töchter vergriffen haben.

Absichtlich schwere Körperverletzung

Die Geschworenen verwarfen die auf versuchten Mord lautende Anklage und erkannten auf absichtliche schwere Körperverletzung. Bei einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren und erheblicher Milderungsgründe - die Frau war bisher unbescholten, hatte sich selbst gestellt und vom Gerichtspsychiater eine von schwierigsten Lebensumständen geprägte Persönlichkeitsstruktur bescheinigt bekommen - mutete das vom Schwurgerichtshof verhängte Strafausmaß recht streng an. Die vorsitzende Richterin Sonja Weis begründete das mit der Schwere der Verletzung, die der 56-Jährige fast nicht überlebt hätte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Philipp Winkler erbat Bedenkzeit, Staatsanwalt Stefan Berger gab keine Erklärung ab.

Die Angeklagte - eine gebürtige Serbin - war im Alter von acht Jahren von ihren Eltern verkauft worden. Sie landete in Padua, bekam mit elf ihr erstes Kind und wurde laut ihrem Rechtsbeistand als Sex-Sklavin gehalten und zum Betteln gezwungen. Bis zu ihrem 21. Lebensjahr brachte sie fünf Kinder zur Welt, ehe ihr die Flucht nach Wien gelang, wo sie als Prostituierte arbeitete.

In ihrem Job lernte sie ihren späteren Ehemann kennen. Der Freier verliebte sich in die Frau, heiratete sie, besorgte ihr eine Arbeit abseits vom Straßen-Strich und nahm auch drei ihrer Kinder bei sich auf. Im Herbst 2014 begann es allerdings zu kriseln. Wiederholt soll der Mann die 33-Jährige gegen ihren Willen zum Sex gezwungen haben. Sie trug sich mit Scheidungsabsichten, doch eine Trennung kam für den Mann nicht infrage. Schließlich habe die Frau "Anzeichen gesehen, dass er sich auch an einer Tochter vergreift", sagte Verteidiger Winkler.

Am 6. Februar erstattete sie Anzeige gegen den Ehemann. Einen Tag später trafen sie einander zu einer Aussprache in einem Kaffeehaus. Zu diesem Treffen nahm die Frau ein 30 Zentimeter langes Küchenmesser mit - angeblich deshalb, weil sie zwei Tage vorher von einem Unbekannten in einem Park zusammengeschlagen worden war, wobei sie als Auftraggeber ihren Mann vermutete.

Als der Ehemann in dem Lokal einen Anruf auf seinem Mobiltelefon entgegennahm und ins Freie ging, um sich besser unterhalten zu können, folgte ihm die 33-Jährige, zog das Messer und stach ihm dieses in den Bauch. "Sie wollte ihn nicht töten. Es war ein Denkzettel, dass er aufhört, die Tochter weiter zu missbrauchen", argumentierte der Verteidiger. Bei der Aussprache habe der Mann auf ihre Vorwürfe, er habe sich an dem Mädchen vergriffen, mit "Das kannst du mir nicht beweisen, du kannst mich mal" reagiert. "Wenn sie ihn wirklich umbringen hätte wollen, hätte sie öfters zugestochen", meinte der Verteidiger.

"Er ist dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen", meinte demgegenüber der Staatsanwalt. Der Stich eröffnete den Bauchraum, verletzte eine Vene und beschädigte den Darm. Der 56-Jährige torkelte - offenbar im Schock - zur nächsten Polizeiinspektion, wo er zusammenbrach und von den Beamten erstversorgt wurde. Die Polizei ging davon aus, dass der schwer Gezeichnete nicht überleben würde. "Ich hab' geglaubt, dass es zu Ende geht", gab eine Beamtin im Zeugenstand zu Protokoll.

Vier Wochen wurde der lebensgefährlich Verletzte im Spital behandelt. Seine Rechtsvertreterin, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, wies den angeblichen Kindesmissbrauch als "reine Schutzbehauptung" der Angeklagten zurück. Die Staatsanwaltschaft habe die Anzeige zurückgelegt, das Strafverfahren gegen den Mann sei bereits eingestellt worden.

"Er hat meine Tochter missbraucht"

Sie habe ihren Ehemann nur verletzen wollen. Dieser habe sie mit seiner Bemerkung "provoziert", keiner werde ihrer Behauptung glauben, sie und ihre Tochter wären von ihm missbraucht worden. "Ich hab' mir vorgestellt, was der mit meiner Tochter macht. Sie ist erst 14. Da hab' ich zugestochen", schilderte die Angeklagte. Einem Augenzeugen, der sah, wie die Frau nach vollbrachter Tat das Messer wegsteckte und der sie mit seinem Handy filmen wollte, rief sie dessen Angaben zufolge in knappen Worten zu: "Er hat meine Tochter missbraucht."