Ein 71-Jähriger, der sich zwischen Herbst 2012 und Ende 2014 an der Enkelin seiner langjährigen Lebensgefährtin vergangen hatte, ist am Dienstag im Wiener Landesgericht wegen sexuellen Missbrauchs und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses verurteilt worden. Er erhielt ein Jahr Haft auf Bewährung sowie eine unbedingte Geldstrafe von 39.600 Euro (360 Tagessätze zu je 110 Euro).

"Ich schäme mich zu Tode für diese Tat", hatte der Angeklagte zu Beginn der Verhandlung einem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Hahn) erklärt. Eigenen Angaben zufolge hatte sich der gut situierte, kunst- und kulturbeflissene Mann, der über Wohnsitze in Rom und Wien verfügt, ein Barvermögen von 800.000 Euro besitzt und eine monatliche Pension von 4.000 Euro netto bezieht, in die Enkelin seiner langjährigen Lebensgefährtin verliebt.

Er beließ es nicht bei bloßen Gefühlen. Gerne brachte er die Kleine zu Bett und las ihr "Gute Nacht"-Geschichten vor - um das Mädchen anschließend zu Berührungen und Handlungen aufzufordern bzw. solche selbst vorzunehmen.

Es handle sich um einen "regredierten Täter", der sich infolge von Beziehungsproblemen mit seiner Partnerin dem Kind zugewandt habe, stellte Verteidiger Helmut Graupner fest: "Er ist nicht pädophil." Es habe "eine besondere Gelegenheit in der Familie gegeben, die er ausgenützt hat", meinte der Anwalt.

Psychotherapeutische Hilfe

Was er gemacht habe, sei "ein Schock in meinem Leben" gewesen, gab der 71-Jährige zu Protokoll: "Ich wusste nicht, was mich dazu geführt hat." Seit er psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehme, sehe er klarer: "Es war ein sexuelles Defizit vorhanden, das ich schrecklicherweise mit einem Kind kompensiert habe."

Er habe sich dem jungen Mädchen "in Freundschaft" verbunden gefühlt, setzte der Großvater fort: "Bei den seltenen Begegnungen sind diese Dinge geschehen." Er bekenne sich "schuldig, mit Ausnahme der vaginalen Penetration".

Die Anklage umfasste einen Tatzeitraum von beinahe zweieinhalb Jahren. Ende des Vorjahrs hatte die Schülerin ihrer Mutter von den Erlebnissen mit dem Großvater erzählt, der daraufhin festgenommen wurde. Zweieinhalb Monate verbrachte der Mann in U-Haft. Verteidiger Graupner betonte, sein Mandant habe sechs Monate, bevor die Strafverfolgungsbehörden von dem Missbrauch überhaupt Kenntnis erlangten, mit einer Therapie begonnen, um sein Leben wieder in den Griff zu kriegen.

Das Gericht trug dem Angeklagten auch eine finanzielle Wiedergutmachung auf. Er muss dem Mädchen binnen zehn Tagen ab Rechtskraft des Urteils 10.000 Euro bezahlen. Außerdem haftet er für allfällige zukünftige seelische Folgeschäden. Weiters muss er seine Psychotherapie fortsetzen und darüber vierteljährlich dem Gericht Bericht legen.

Der Großvater nahm das Urteil an, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Keine Penetration

Der Senat ging am Ende der Verhandlung, die über weite Teile unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, davon aus, dass es - entgegen der Anklage - zu keiner vaginalen Penetration der Unmündigen gekommen war und bei dieser dahin gehend eine "Scheinerinnerung" zum Tragen komme. Folglich lag formell kein schwerer, sondern ein sexueller Missbrauch im Sinne des § 207 Strafgesetzbuch (StGB) vor, der einen Strafrahmen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vorsieht.

Bei der Strafbemessung wurden dem Großvater seine bisherige Unbescholtenheit sowie sein Geständnis mildernd angerechnet. Richterin Martina Hahn nannte dieses "reumütig". Der Angeklagte habe "gezeigt, wie sehr ihm das leidtut und dass er wirklich mit dem Opfer mitfühlt".