1. Richtlinienkompetenz für den Kanzler. Davon träumen seit Jahren alle österreichischen Bundeskanzler. In Deutschland kann der Regierungschef seinen Ministern klare Vorgaben erteilen, in Österreich gilt die Ministerverantwortlichkeit. Will Kurz das umsetzen, muss sein künftiger Koalitionspartner mitspielen. Allerdings sind einer Richtlinienkompetenz auch in Deutschland Grenzen gesetzt. Ohne Einvernehmen mit der SPD bringt die CDU kein Gesetz im Bundestag durch.
2. Schuldenbremse in der Verfassung. Der Vorstoß überrascht, weil die Koalition im Jahr 2011 die Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung ab 2017 beschlossen hat. Allerdings fand sich für eine Zweidrittelmehrheit kein Partner im Parlament, die Schuldenbremse existiert als einfachgesetzliche Rechtsbestimmung. Im heurigen Jahr ist ein strukturelles Defizit von höchstens 0,45 Prozent erlaubt, Ausnahmen bestehen bei außergewöhnlichen Konjunkturschwankungen und Naturkatastrophen. Finanzminister Schelling kann von Glück sprechen, dass ihm die EU eine weitere Ausnahme erteilt hat: Die Flüchtlingskosten in Höhe von 1,7 Milliarden müssen nicht ins strukturelle Defizit eingerechnet werden, sonst hätte die Schuldenbremse im heurigen Jahr bereits seine Wirkung verfehlt.
3. Bildungspflicht. Die jetzige Regierung hat vor zwei Jahren eine Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr beschlossen. Diese sieht vor, dass 15-Jährige nach Auslaufen der Schulpflicht eine Lehre absolvieren oder eine weiterführende Schule besuchen müssen, damit soll der Gang in die Arbeitslosigkeit oder eine „Drop-Out-Karriere“ verhindert werden. Die Bildungspflicht von ÖVP-Chef Kurz geht einen Schritt weiter und zielt auf grundlegende Qualifikationen im Schreiben, Lesen, Rechnen ab. Der Schulabschluss erfolgt nicht automatisch nach Absolvierung der Pflichtjahre, sondern wenn der Schüler über die entsprechenden Qualifikationen verfügt.
4. Steuersenkung. Bei jeder Steuerreform wird eine Steuersenkung versprochen, zumeist wird das Versprechen denn auch eingehalten, der Effekt schlägt sich immer nur marginal im Geldbörsel nieder. Eine echte Steuersenkung kann nur Hand in Hand mit einer echten Verwaltungsreform erfolgen. Der Spielraum für echte Kürzungen in Bürokratie und Verwaltung ist oft nur schmal, weil die überwiegende Mehrheit der Ausgaben für Personalkosten aufgewendet werden - und Kürzungen dienstrechtlich (Lehrer, Beamte) gar nicht möglich sind. Meint es Kurz in diesem Punkt ernst, so bedarf es einen gewaltigen Kraftakts, der Bund, Länder, Gemeinden einschließt.
5. Schutz des Sozialsystems. Kurz verpackt darin seine bekannten Forderungen nach Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland leben, bzw. nach Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge. Der erste Punkt kann nur im Einvernehmen mit den EU-Partner erfolgen. Ob Ungarn, Polen, Tschechen dem zustimmen? Der zweite Aspekt kann national entschieden werden.
6. Grundkonsens bei der Zuwanderung. Das klingt gut, ist aber nur zu einem Teil realisierbar. Auf Basis der EU-Freiheiten kann Österreich den Zuzug von EU-Ausländern, egal, ob es Deutsche, Franzosen, Griechen, Rumänen oder Bulgaren sind, nicht begrenzen. Jeder, der sich finanziell über Wasser halten kann, darf nach Österreich übersiedeln. Das gilt auch für Schweizer, Norweger, Isländer. Beschränkungen sind nur bei Nicht-EU-Bürgern möglich. Seit Jahren stammen die meisten Zuwanderer aber aus dem EU-Raum.
7. Bekenntnis zu Europa. DIe Forderung, dass die EU nur Dinge regeln soll, die nicht national oder auch regional gelöst werden können, hört man seit 20 Jahren. In der Theorie klingt es gut, im Detail ist alles komplizierter. Dass etwa die EU den Traktorsitz geregelt hat, war nicht die Idee eines weltfremden Bürokraten, sondern eines bayrischen Traktorenherstellers, der die Nase voll hatte, weil er für den Export seiner Traktoren in den EU-Raum die Genehmigung jedes einzelnen der mittlerweile 28 EU-Staaten benötigte. Die meisten scheinbar sinnlosen Regelungen entspringen dem Wunsch der Mitgliedsstaaten, nicht dem der Brüsseler Kommission.