Nach dem europäischen Trauerakt im Europaparlament in Straßburg für den verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Kohl (CDU) ist sein Sarg in seiner Heimatstadt Ludwigshafen eingetroffen. Ein Hubschrauber flog diesen am Samstagnachmittag von Frankreich nach Deutschland. Nach der Landung setzte sich nach Angaben der Polizei der Trauerzug durch Ludwigshafen in Bewegung.
Nach der Fahrt durch Kohls Heimatstadt soll der Sarg an Bord eines Schiffes auf dem Rhein nach Speyer gefahren werden. Dort ist am frühen Abend zunächst ein Pontifikal-Requiem im Dom geplant, bevor Kohl nach einem militärischen Ehrengeleit im engsten Kreis beigesetzt wird.
Europa verneigt sich
Europa nahm schon davor Abschied vom großen Europäer. Bei einem Trauerakt im EU-Parlament, der um 11.00 Uhr begann, verneigte sich die politische Spitze aus Vergangenheit und Gegenwart vor dem früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl (1982-98), einem der bedeutendsten Staatsmänner des Kontinents.
Der Sarg des früheren christdemokratischen Regierungschefs und "Vaters der Deutschen Einheit" wurde am Samstag in der Früh zunächst in einem Protokollraum des Europaparlaments in Straßburg aufgebahrt. Vor dem Saal konnten sich die Trauernden in ein Kondolenzbuch eintragen. Anschließend wurde der Sarg vom Wachbataillon des deutschen Verteidigungsministeriums in den Plenarsaal getragen - begleitet von einer Totenwache des Eurokorps.
Erstmals wird für einen Politiker ein solcher europäischer Trauerakt ausgerichtet. Einen deutschen Staatsakt für Kohl wird es dagegen nicht geben.
Der mit einer Europaflagge bedeckte Sarg des früheren Bundeskanzlers war in der Früh aus Kohls Haus in Ludwigshafen-Oggersheim im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz getragen und zu einem schwarzen Leichenwagen gebracht worden. Anschließend machte sich ein Fahrzeugkonvoi auf den Weg nach Straßburg. Bei einem Trauerakt im EU-Parlament verneigte sich die politische Spitze aus Vergangenheit und Gegenwart vor dem großen Europäer.
Aus Österreich reisten Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sowie der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas in Vertretung von Außenminister Sebastian Kurz, der heute in Linz am Parteitag offiziell zum ÖVP-Bundesobmann gekürt werden woll.
Clintons Liebeserklärung
Der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton machte dem verstorbenen Altkanzler bei der Trauerfeier in Straßburg eine Liebeserklärung. Kohl habe in seiner politischen Zeit ganz große Fragen gestellt bekommen mit Verzweigungen in die Gegenwart, und wegen seiner Antworten seien die Vertreter so vieler Länder bei dem Trauerakt, sagte Clinton im Europaparlament. „Ich habe ihn geliebt. Ich habe ihn sehr gemocht“, sagte Clinton. Kohl habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser gilt als der Konflikt. „Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert.“ Zum Schluss sagte Clinton: „Du hast das gut gemacht in deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür.“
Juncker nennt Kohl einen "Nachkriegsgiganten"
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat sich mit sehr persönlichen Worten und tief bewegt vom deutschen Altkanzler Helmut Kohl verabschiedet. Kohl habe ihn als "treuer Freund" lange begleitet, sagte Juncker am Samstag in Straßburg. "Mit Helmut Kohl verlässt uns ein Nachkriegsgigant."
Ohne Kohl hätte es auch den Euro nicht gegeben, so Juncker. "Für ihn war der Euro stets europäische Friedenspolitik mit anderen Mitteln."
Mit Blick auf Kohls politische Heimat bemerkte sein Parteigänger Juncker: "Lieber Helmut, Du bist jetzt im Himmel. Versprich mir, dass Du dort nicht als erstes einen CDU-Ortsverband gründest."
Macron unterstreicht Optimismus
Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte Helmut Kohl als großen Freund Frankreichs. „Helmut Kohl reichte uns die Hand“, sagte Macron in seiner Trauerrede. Er erinnerte an die Annäherung beider Länder in den 1980er Jahren und die Nähe Kohls zum damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand.
„Für meine Generation ist Helmut Kohl schon Teil der europäischen Geschichte“, sagte der 39-Jährige. Er bekräftigte in Straßburg auch noch einmal seinen Willen zur Zusammenarbeit mit Deutschland und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Macron, der seine Rede auf Französisch hielt, sprach am Ende auch Deutsch: „Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zur Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus.“
Für Medwedew war Kohl "Person der Zukunft"
Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew erinnerte in seiner Trauerrede an die engen Beziehungen Helmut Kohls zu seinem Land. Für den verstorbenen Altkanzler sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen, sagte Medwedjew in Straßburg, wo er als Privatperson sprach. „Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht“, sagte Medwedew. Kohl sei eine "Person der Zukunft" gewesen.
EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani erklärte, "Helmut Kohl hat sicherlich einen Ehrenplatz im europäischen Pantheon verdient."
Merkel dankte Kohl
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel dankte Kohl auch ganz persönlich. "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben. (...) Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Angedenken in Dankbarkeit und Demut", sagte Merkel, die dabei ihren Blick auf den Sarg richtete und später Tränen in den Augen hatte. Sie schilderte ihn als einen Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung. Und auch als einen Politiker, an dem sich viele Menschen gerieben haben und der Gegenargumente scharf abwehren konnte.
Merkel erinnerte auch an Kohls erste Ehefrau Hannelore, die sich 2001 das Leben genommen hat. "Wir gedenken auch ihrer in Dankbarkeit." Über Kohls Witwe Maike Kohl-Richter sagte Merkel, sie habe den Altkanzler "voller Hingebung und Liebe begleitet bis zuletzt". Ihr Mitgefühl gelte Maike Kohl-Richter und "allen, die in Helmut Kohls Familie um ihn trauen". Mit seinen Söhnen Peter und Walter hatte sich Kohl nicht mehr versöhnt.
Am Abend wird der frühere deutsche Kanzler nach einem Requiem im Speyerer Dom beerdigt. Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler und 25 Jahre lang CDU-Vorsitzender. Der "Ehrenbürger Europas" starb am 16. Juni im Alter von 87 Jahren.
Am Nachmittag sollte ein Hubschrauber den Sarg zurück nach Ludwigshafen bringen. Nach der Landung wird dieser durch die Innenstadt geführt. Die letzten Kilometer bis ins nahe Speyer bringt ein Schiff den Leichnam Kohls. Im Dom zu Speyer wird der katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann dann die Totenmesse halten (18.00). Rund 1.500 geladene Gäste werden dazu erwartet. Zu Speyer und seinem Dom hatte Kohl seit seiner Kindheit eine besondere Beziehung.
Nach einem militärischen Ehrenzeremoniell der Bundeswehr soll er (20.30 Uhr) dann auf einem nahen Friedhof in Speyer im Freundes- und Familienkreis beigesetzt werden. Kohl wird damit nicht im Familiengrab in Ludwigshafen bestattet.
Ein Großaufgebot der Polizei mit mehr als 1.000 Beamten sichert die Trauerfeierlichkeiten. Die Beisetzung dürfte zu den größten Beerdigungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte zählen, Tausende Menschen werden dazu alleine in Speyer erwartet.