Die österreichische Sozialversicherung funktioniert nach dem Prinzip der Selbstverwaltung. Eigentlich dem Staat obliegende Aufgaben sind damit an die unmittelbar Betroffenen delegiert. Das heißt aber nicht, dass ein Versicherter in seiner Kasse direkt mitreden kann. Das übernimmt für ihn die Arbeiter- oder Wirtschaftskammer, in der er Pflichtmitglied ist. Die Regierung will hier nun stärker eingreifen.

Die Machtverhältnisse: Nimmt man die Wiener Gebietskrankenkasse als Beispiel, so sieht man, dass dort in Generalversammlung und Vorstand jeweils vier Fünftel der auf fünf Jahre bestellten Versicherungsvertreter von Dienstnehmerseite (also von der Arbeiterkammer) gestellt werden, nur ein Fünftel kommt von Dienstgeberseite (ergo: der Wirtschaftskammer). Die SPÖ-Stimmen überwiegen de facto also, nur in der Kontrollversammlung ist das Verhältnis umgekehrt.

Unter staatlicher Aufsicht

Die Sozialversicherung mit ihren drei Zweigen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung agiert aufgrund der auch verfassungsmäßig abgesicherten Selbstverwaltung weisungsfrei, sie unterliegt jedoch der staatlichen Aufsicht. Auch die Sozialversicherungsbeiträge gehen direkt an die Kassen und werden nicht vom Staat eingehoben.

Die schwarz/türkis-blaue Bundesregierung will hier nun gehörig umrühren. Man will eine "einheitliche Abgabenstelle für die Einhebung aller lohnabhängigen Abgaben" schaffen; das Geld würde also über die Finanzämter laufen und an die Kassen weitergeleitet werden, wogegen die Kassen Sturm laufen.

Wichtiger ist aber noch, dass im Regierungsprogramm zwar von der Beibehaltung der "partizipativen Selbstverwaltung" die Rede ist, gleichzeitig aber ein "Verwaltungsrat samt Bundesvertretern" ("u.a. zur Prüfung der Finanzgebarung", wie es heißt) geschaffen werden soll. Dieser soll in den Trägern und im Hauptverband der Sozialversicherungsträger (künftig "Dachverband" genannt) die bisherigen Selbstverwaltungsgremien ersetzen.

Punktationsentwurf

Konkreter wird hier ein informell zirkulierender Punktationsentwurf zur Sozialversicherungsreform. Dort ist davon die Rede, dass im Verwaltungsrat der Landesstellen der "Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK)" - sie sollen die bisherigen neun Gebietskrankenkassen ersetzen - künftig drei Arbeitnehmervertreter, drei Arbeitgebervertreter, ein Vertreter des Landeshauptmanns und ein Vertreter des Ministeriums sitzen sollen. De facto würde das eine Entmachtung der Dienstnehmerseite bedeuten.

Entsprechend vehement wehren sich die Kassenvertreter (mit Unterstützung der Ärztekammer) dagegen. In der Ende März verabschiedeten "Salzburger Deklaration" verlangen sie unter anderem den "Erhalt der regionalen Krankenversicherungen mit Planungs- und Beitragshoheit", "die Absicherung der echten regionalen Selbstverwaltung aus Dienstnehmern und Dienstgebern in den Krankenkassen", "die autonome Finanzierung und Verwaltung der Krankenkassen" und den "Fortbestand der bestehenden autonomen Gesamtvertragsstrukturen zwischen Kassen und Kammern".