Vor Wochen bereits hat Hartwig Löger seine sportlichen Aktivitäten eingestellt. Laufschuhe, Tennisschläger liegen unbenutzt im Abstellkammerl. Seine gesamte Aufmerksamkeit gilt dem Budget, das er in den letzten Wochen in sogenannten Beichstuhlgesprächen mit den einzelnen Fachministern ausgehandelt hat. Nach der quälenden Pflicht, die ihm die eine oder andere schlaflose Nacht beschert hat, folgt am heute vormittags die Kür: Nicht einmal 100 Tage nach der Angelobung hält er im Nationalrat seine Budgetrede.
Wie der neue Finanzminister seinen ersten großen Auftritt anlegen wird, darauf darf man gespannt sein. Der eher spröd wirkende, im Umgang zurückhaltende Ex-Manager steht, wie er einmal im Gespräch meinte, „für Konsequenz und eine gewisse Ernsthaftigkeit.“ Als großes Vorbild dient ihm der Stoiker Seneca, Geduld und Gelassenheit prägen sein Auftreten. Rhetorisch neigt der 52-jährige Obersteirer bisweilen zu technokratisch verschwurbelten Satzkonstruktionen.
Von seinem Naturell her unterscheidet er sich wohltuend etwa von seinem Vorgänger Karl-Heinz Grasser, der mit dem Slogan „Ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“ die Öffentlichkeit beeindrucken wollte, dessen großspurig angekündigtes Nulldedizit wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen ist (statt einer schwarzen Null fuhr Grasser ein Defizit von 0,7 Prozent) ein.
Der gebürtige Selzthaler, der aus einer Eisenbahnerfamilie stammt, war als Finanzminister nur die dritte Wahl. Zunächst gab Lotterie-Chef Bettina Glatz-Kremsner ÖVP-Chef Sebastian Kurz einen Korb, dann verhinderten die Landeshauptleute die Bestellung von Josef Moser. „Wenn du das machst, sind wir geschiedene Leut’“, soll einer der maßgeblichen Granden gedroht haben.
Die Kür von Löger war die größte Überraschung bei der Zusammensetzung des ÖVP-Teams, der Uniqa-Vorstand war vor 100 Tagen in politischen Zirkeln ein unbeschriebenes Blatt. Michael Jungwirth