Die Bundesregierung war bei der Holocaust-Gedenkveranstaltung des Parlaments non doch hochrangig vertreten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache kamen, Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und die beiden Staatssekretäre Karoline Edtstadler (ÖVP) und Hubert Fuchs (FPÖ). Ursprünglich sollte von Seiten nur Edtstadler kommen. Mit dabei von der FPÖ weiters Anneliese Kitzmüller, Walter Rosenkranz und Ex-Staatssekretär Reinhart Waneck sowie von der SPÖ Klubchef Andreas Schieder und Doris Bures (Christian Kern ist im Wahlkampf unterwegs), weiters Neos-Klubchef Matthias Strolz.
Danielle Spera, Direktorin des Jüdischen Museums, interviewt einige Zeitzeugen, ein Rabbiner spricht das Totengebet, junge Künstler sorgen für die musikalische Umrahmung. Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) nimmt an der Veranstaltung im Innenhof des Palais Epstein nicht teil, weil sie beschlossen hat, im heurigen Gedenkjahr Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung zu boykottieren.
Die Veranstaltung wurde am Schluss von einer kurzen Protestaktion von Jugendlichen begleitet. Sie hielten - in Anspielung auf die Causa des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer und das NS-Liederbuch aus dessen Burschenschaft "Germania" - Plakate hoch. "Wenn sie jetzt ganz unverhohlen wieder Nazi-Lieder johlen - Sage Nein!", war dort zu lesen.
Vier Zeitzeugen im Cafe
Die vier Zeitzeugen, die sich seit einigen Jahren in Wien regelmäßig in einem Cafe zum Gedankenaustausch treffen, berichteten in teils berührenden Worten über die erlebten Gräuel während der NS-Herrschaft. Einer der Herren, von dessen Familie nur der Vater und sein Bruder das Konzentrationslager Auschwitz überlebt haben, erklärte, es sei ihm die "Kunst, das zu überleben", zu Teil geworden. "Das israelische Volk lebt und hat die Hitlerzeit überlebt. Das ist mein persönlicher Sieg, dass ich die Faschisten, den Kommunismus und jeden -ismus überlebt habe und überleben werde", so Victor Klein in der von der Direktorin des jüdischen Museums, Danielle Spera, moderierten Gesprächsrunde.
Den Opfern ein Gesicht
Sobotka versuchte zu Beginn seiner Rede den Opfern des NS-Regimes ein Gesicht zu geben: Er verwies auf sechs konkrete Opfer aus seiner Heimatgemeinde Waidhofen an der Ybbs. Diesen Namen begegne man heute in den Archiven. Nicht aber könne man deren Kindern und Enkelkindern begegnen, "die nie geboren wurden". Und er erinnerte auch an Ernst Lohsing, der als Nachbar des Palais Epstein am 27. Juli 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und ermordet wurde.
"Österreich war Täter"
Die Vernichtung habe "nicht irgendwo stattgefunden", sagte Sobotka, sondern "in unserer unmittelbaren Nachbarschaft" und habe "bis in die Kapillaren unserer Gesellschaft" gewirkt. "Österreich war nicht nur Opfer, Österreich war Täter, Österreich hat sich schuldig gemacht, in Untat und Untätigkeit", so der Nationalratspräsident.
Eingeladen zu der Veranstaltung hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Er bedauert diese Absage der Kultusgemeinde, kann sie aber nachvollziehen. "Ich kann dieses Verhalten natürlich verstehen. Ich finde es auch sehr schade, dass manche nicht kommen, weil der Dialog immer das Wichtigste ist und den möchte ich auch gerade in dieser Veranstaltung in besonderer Art und Weise in den Mittelpunkt stellen", sagte Sobotka im Ö1-Radio.
Die Holocaust-Gedenkveranstaltung ist in den letzten Jahren in unterschiedlichen Formaten abgehalten worden. Zuletzt hatte die Akademie der Wissenschaften dazu eingeladen, 2016 wurde sie in Form einer Ausstellungseröffnung abgehalten. Die Teilnahme von Regierungsmitgliedern der damals rot-schwarzen Koalition war unterschiedlich.
Klarer Umgang mit Geschichte
Sobotka, studierter Historiker, erklärte im ORF-Morgenjournal, er als Parlamentspräsident werde mit einer Reihe von Veranstaltungen über den heutigen Tag und das Gedenkjahr 2018 hinaus dafür sorgen, dass Österreich "einen klaren Umgang mit seiner Geschichte, mit unserer Verantwortung, mit der Verantwortung für Jugend und Zukunft" pflege.
In seiner Funktion habe er auch darauf zu achten, "dass die im Parlament vertretenen Parteien sich ganz klar in ihrer Haltung zum Verbotsgesetz bekennen und auch in ihren Umfeldern nicht dulden, dass solche Themen gespielt werden, auch nicht unter der Hand oder wo auch immer".
Der heutige Termin bildet den Auftakt zu einem Veranstaltungsreigen im heurigen Gedenkjahr. Am 12. März jährt sich der Anschluss an Hitler-Deutschland zum 80. Mal. 2008 wurde im Rahmen eines großen Staatsaktes im Parlament des Einmarsches der Nazis gedacht, die FPÖ meldete sich damals, berichtet die Austria Presse Agentur, mit keiner Silbe zu Wort.