Wo sehen Sie bei den vielen Baustellen im Bundesheer den dringlichsten Handlungsbedarf?
MARIO KUNASEK: Da gibt es tatsächlich mehrere Baustellen, wobei mein Vorgänger schon gute erste Schritte eingeleitet hat. Ein großes Thema ist der Investitionsrückstau, der sich in den letzten Jahren aufgrund des Spardrucks gebildet hat. Wir müssen ordentliche budgetäre Rahmenbedigungen schaffen. Es muss eine Planbarkeit gegeben sein, damit löse ich schon sehr viele Probleme. Und dann vor allem eine Stärkung der Miliz und eine Attraktivierung des Grundwehrdienstes.
Steht alles im Regierungsprogramm, aber was gehen Sie in den kommenden Wochen zuerst an?
KUNASEK: Das ist zwar nicht meine Vorgabe, aber aus der politischen Lage heraus ist es der Eurofighter und die Luftraumüberwachung. Ich lasse mich da nicht treiben, deshalb wird es bewusst noch einmal eine Expertenkommission geben. Aber nicht um die Ergebnisse der letzten Kommission vom Tisch zu wischen, sondern um diese in meine eigene Beurteilung einfließen zu lassen. Ich gehe da völlig ergebnisoffen hinein.
Welche Ziele treiben Sie persönlich voran?
KUNASEK: Ein Thema sind die Rekrutenschulen, wo es mir darum geht, eine Standardisierung bei der Ausbildung der Rekruten herzustellen, bevor sie zu den Truppenteilen entsandt werden. Hier wird der Generalstab von mir in den nächsten Wochen den Auftrag bekommen, mit einem Pilotprojekt im Herbst zu starten. Die Standortfrage ist noch zu klären. Aber es sollte schon eine vorhandene Infrastruktur geben, auf die wir zurückgreifen und die wir weiter ausbauen können. Es sollte sich zum Beispiel ein Schießplatz in der Nähe befinden.
Die FPÖ ging in die Regierungsverhandlungen mit der Forderung, das Wehrbudget auf ein Prozent des BIP anzuheben. Wird es dazu noch in dieser Legislaturperiode kommen?
KUNASEK: Von dem einen Prozent werden Sie im Regierungsprogramm nichts finden, aber wichtig war es mir, ganz klar festzuhalten, dass bei der Sicherheit nicht weiter gespart wird. Es wird mehr geben, als das in der Vergangenheit der Fall war und das ist das wichtige Signal.
Also ist dieses eine Prozent vom BIP, was rund 3,5 Milliarden Euro entspricht, kein Ziel mehr?
KUNASEK: Jeder hätte natürlich gerne mehr, aber eine privilegierte Situation ist für mich, dass bei der Sicherheit nicht gespart wird.
Was beim Heer derzeit gut läuft, ist die Personalgewinnung. Im Februar mustern 400 neue Wachtmeister aus. Können Sie denen eine Anstellung bis zu ihrem Karriereende garantieren?
KUNASEK: Karriereende ist ein gutes Stichwort. Für das Bundesheer muss ein neues Dienstrecht möglich sein. Die lebenslange Anstellung, die zu meiner Zeit den Job attraktiv machte, ist für die Jungen heute nicht mehr der Punkt. Sie wollen eine gute Entlohnung und eine gute Ausbildung und vielleicht mit 30, 40 Jahren etwas anderes machen. Ich kann den jungen Wachtmeistern versprechen, bis zu ihrem geplanten Karriereende eine ausfüllende Tätigkeit in einem Beruf zu erhalten, der mehr als nur erstrebenswert ist.
Kommt also ein Soldatendienstrecht, dass den flexiblen Umstieg ermöglicht?
KUNASEK: Genau. Mir ist es deshalb auch so wichtig, weil ich es selbst erlebt habe. Du bist irgendwann am Zenit der Laufbahn angelangt und da ist es wichtig, zivil anrechenbare Ausbildungen zu haben, die es einem erleichtern, etwa in die Wirtschaft zu wechseln.
Grundwehrdiener sollen mehr Vergütung bekommen. Wieviel soll das sein und wann?
KUNASEK: Es ist noch zu früh sich auf eine Zahl festzulegen. Der Wunsch beider Parteien ist es, den Sold anzupassen. Derzeit ist er nicht attraktiv. Natürlich müssen wir auch zeitgemäße Unterkünfte schaffen. Die Ausbildung selbst soll attraktiv sein im Sinne von Erleben, muss aber trotzdem auf die militärischen Erfordernisse eingehen. Den Begriff Erlebnisausbildung mag ich nicht, das klingt ein wenig nach Pfadfinderlager. Es geht darum, dass der Rekrut sagt, ich habe in den sechs Monaten etwas erlebt und getan, worin ich auch Sinn gefunden habe.
Wie wollen Sie die Miliz wieder in einen verfassungsgemäßen Zustand versetzen? Werden alle Soldaten und Bataillone so ausgerüstet, dass sie gleichzeitig in den Einsatz gehen könnten?
KUNASEK: Von diesem Sollzustand sind wir weit entfernt, da gibt es massiven Nachholbedarf. Aber im Optimalfall selbstverständlich. Und es muss das Ziel im Bereich der Ausbildung und der Ausrüstung sein, dass ein Milizmann auch einen aktiven Soldaten ersetzen könnte bzw. mit ihm wie in einem Dienstrad arbeitet. Die Miliz darf nicht als Beiwagerl des Kaderpersonals gesehen werden, sondern muss das Herzstück der Armee sein.
Halten Sie am Prinzip der Freiwilligkeit bei der Miliz fest? Sie hätten die Möglichkeit, bis zu zwölf Prozent eines Jahrganges zu verpflichten.
KUNASEK: Diese Notwendigkeit sehe ich derzeit nicht. Das Hauptaugenmerk richten wir auf Ausbildung und Ausrüstung, das ist Werbung für sich.
Einiges in Ihrem Programm klingt ein wenig retro: "Umfassende Landesverteidigung" gab es schon in den 1970ern im Kalten Krieg. Was hat es denn auf sich mit diesen „Sicherheitsinseln“?
KUNASEK: Diese regionalen Sicherheitsinseln sind für mich eines der Leuchtturmprojekte für die nächsten Monate. Ich stelle mir vor, dass Kasernen für einige Zeit autark in Bezug auf Energieversorgung, Lebensmittel, Wasserversorgung und Kommunikation sein sollen. Sie stehen dann nicht nur dem Heer, sondern auch den Hilfsorganisationen bei Katastrophen oder einem Blackout zur Verfügung – im negativsten Fall auch der Bevölkerung. Das ist nicht retro, im Gegenteil, das ist lageangepasst und entspricht möglichen Bedrohungsszenarien. Die „Umfassende Landesverteidigung“ wurde in letzter Zeit allgemein etwas vernachlässigt, vor allem die geistige.
Ihr Nachfolger als steirischer FPÖ-Klubobmann, Stefan Hermann, träumt von einem Mario Kunasek als Landeshauptmann. Treten Sie 2020 in der Steiermark wieder an?
KUNASEK: Ich bin ja nach wie vor Landesparteiobmann, jetzt aber zu 100 Prozent Verteidigungsminister. Wir haben eine glückliche Situation in der Steiermark: einen Minister in Wien und eine sehr gute Mannschaft um den Landesparteiobmann herum, wo alle in der Lage sind, gute Wahlergebnisse zu erzielen. Wir machen uns um 2020 keine Sorgen, das müssen sich schon andere machen. Aber da halte ich es ein wenig wie Arnold Schwarzenegger. Möglicherweise „I’ll be back“.