Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden: Ab 2019 dürfen auch gleichgeschlechtliche Paare in Österreich heiraten. Die Reaktionen auf diese Entscheidung fallen höchst unterschiedlich aus, von scharfer Kritik bis Jubel ist alles dabei.
Die ÖVP zeigt sich wenig begeistert, will der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare aber keine Steine in den Weg legen. "Höchstgerichtliche Urteile sind stets zu akzeptieren und nehmen wir zur Kenntnis", erklärte ein ÖVP-Sprecher am Dienstag zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die gesetzlichen Regelungen aufzuheben, die gleichgeschlechtlichen Paaren bisher den Zugang zur Ehe verwehrt hatten.
Die weitere Vorgangsweise werde man erst besprechen, hieß es aus der ÖVP, die gemeinsam mit der FPÖ voraussichtlich die nächste Bundesregierung stellen wird. Die bisherigen Gegner einer Öffnung der Homoehe könnten diese nach dem Spruch des VfGH nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament weiter verhindern. Eine solche ist in dieser Frage allerdings nicht zu erwarten.
FPÖ: "Jetzt ist eingetreten, wovor wir gewarnt haben"
Beim den Freiheitlichen beurteilt man die Entscheidung der Verfassungsrichter denn auch kritisch. "Jetzt ist genau das eingetreten, wovor wir bereits 2009 bei Beschluss der eingetragenen Partnerschaft gewarnt haben: Dieses Instrument wird der Türöffner in Richtung einer Entwicklung sein, an deren Ende mit der sogenannten Ehe für alle, vulgo 'Homo-Ehe', Ungleiches gleich behandelt wird. Jetzt ist es soweit", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Die politische Verantwortung dafür liege - neben der SPÖ - auch bei der ÖVP. "Ich bedaure, dass die ÖVP in dieser Frage nicht mit offenem Visier gekämpft hat, sondern ein doppeltes Spiel gespielt hat." Natürlich seien Urteile des VfGH anzuerkennen, was aber nicht bedeute, dass man nicht kritisch nachfragen dürfe, so Kickl.
Breit bejubelt wurde die Entscheidung indes in der SPÖ. Parteivorsitzender Christian Kern sprach via Facebook von einem Zeichen der Gleichberechtigung und des Respekts. "Spätestens ab 1. Jänner 2019 ist es egal, wer wen liebt in unserem Land. Ich persönlich bin sehr froh über diese Entscheidung. Immer wieder haben wir versucht, die Ehe für alle politisch durchzusetzen und sind dabei an ÖVP und FPÖ gescheitert. Wir werden wachsam bleiben und dafür sorgen, dass alle Menschen in unserem Land das Recht bekommen, zu heiraten wen sie lieben", erklärte Kern. Auch Kanzleramtsminister Thomas Drozda, SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, Frauenministerin Pamela Rendi-Wagner, die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, der offen homosexuelle Abgeordnete Mario Lindner und eine Reihe weiterer SPÖ-Politiker begrüßten die Entscheidung.
Neos: "Ein großer Tag für Österreich"
Große Freude herrschte auch bei den NEOS. "Heute ist ein großer Tag für Österreich, die Freiheit und den Rechtsstaat. Was der Bevölkerung schon lange klar war und nur ÖVP und FPÖ nicht verstanden haben, hat nun der VfGH in seinem Erkenntnis festgestellt: die Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft verletzt das Diskriminierungsverbot", meinte der stellvertretende Klubobmann Niki Scherak. Die Welt werde nicht untergehen, es ende nur eine weitere Diskriminierung für viele Menschen, so Scherak in Richtung ÖVP und FPÖ. Besser wäre es freilich gewesen, wenn gleich das Parlament diese Diskriminierung abgeschafft hätte, so Scherak.
Zufrieden zeigte sich auch Liste Pilz-Klubobmann Peter Kolba: "Das freut uns. Das ist zu begrüßen." Erfreut reagierten auch die aus dem Parlament gefallenen Grünen, die sich die "Ehe für alle" über viele Jahre auf ihre Fahnen geheftet hatten. "Wieder einmal sorgt ein Höchstgericht dafür, dass Österreich endlich im 21. Jahrhundert ankommt", meinte der Grüne Bundessprecher Werner Kogler.
Scharfe Kritik aus der Kirche
Deutliche Kritik an der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), die Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen, kommt vom Wiener Kardinal Christoph Schönborn. "Es ist beunruhigend, dass sogar die Verfassungsrichter den Blick verloren haben für die besondere Natur der Ehe als Verbindung von Mann und Frau", erklärte der Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz gegenüber Kathpress.
Die Ehe sei "wie keine andere Beziehung geeignet, Kinder hervorzubringen, zu hüten und aufzuziehen und damit die Generationenfolge zu sichern. Wenn der VfGH die Einzigartigkeit und damit die juristische Sonderstellung der Ehe verneint, die auf der Unterschiedlichkeit der Geschlechter aufbaut, verneint er die Wirklichkeit", sagte der Kardinal und hielt in Richtung Höchstgericht fest: "Er tut damit der Gesellschaft keinen Dienst und schadet letzten Endes allen - auch denen, die er schützen möchte und die es auch zu schützen gilt."
Schönborn zeigte sich "zuversichtlich, dass sich langfristig die Einsicht in die Schöpfungsordnung wieder durchsetzen wird, die der Mensch nicht missachten kann, ohne Schaden zu nehmen". Zugleich beklagte der Wiener Erzbischof die "Umdeutung eines wesentlichen Begriffs der Rechtsordnung, der im Wesen des Menschen wurzelt und für die Gesellschaft eine entscheidende Rolle spielt - umso mehr, als der Verfassungsgerichtshof ohne weiters auch anders entscheiden hätte können und sein Erkenntnis nun sogar im Widerspruch zum Europäischen Menschengerichtshof steht".
Jubel aus Wien
Auch die rot-grüne Wiener Stadtregierung bejubelte die Entscheidung. "Der heutige Tag wird in die Geschichte eingehen: als Tag der Liebe und Tag der Gleichberechtigung", freute sich der für Antidiskriminierung zuständige SPÖ-Stadtrat Jürgen Czernohorszky. Ähnlich Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou: "Nach Jahrzehnten zäher Verhandlungen, zahlreicher Rückschläge und kleiner Fortschritte können wir uns heute alle gemeinsam über diesen historischen Tag freuen: Das Ehe-Verbot für Lesben und Schwule in Österreich ist endlich gefallen. Nun werden wir ganz genau darauf schauen, dass die neue Bundesregierung den Entscheid des Verfassungsgerichtshofes nach Punkt und Beistrich einhält und alle notwendigen Schritte zur Umsetzung vorantreibt."
Die Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien zeigte sich ebenfalls glücklich und forderte zugleich ein modernes Eherecht oder den Fortbestand der eingetragenen Partnerschaft. "Für den Fall, dass sich der Gesetzgeber zu keiner radikalen Reform des Eherechts durchringt, muss die eingetragene Partnerschaft als moderne Alternative unbedingt erhalten bleiben", erklärte Obfrau Lui Fidelsberger. Die Initiative stößt sich etwa an den strengeren Scheidungsbestimmungen im Eherecht. Dieses verströme noch immer den "Geist des Patriarchats".