Zwei Wochen vor der Wahl musste die SPÖ in der Causa Tal Silberstein doch noch die Reißleine ziehen, nachdem sie wochenlang versucht hatte, durchzutauchen. Wie "profil" und "Presse" am Samstag berichteten, steckt der in Israel verhaftete Berater sowohl hinter der rassistischen Facebookseite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" als auch hinter "Wir für Sebastian Kurz", die sich als Fanseite für den VP-Chef gibt.

Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler erklärte binnen Stunden seinen Rücktritt. Er bezeichnete die Silberstein-Kampagne als abscheulich und verurteilte sie scharf. Die SPÖ habe diese Seite weder finanziert noch betrieben.

>> Kommentar: Der Zug für Kern ist abgefahren

Eine erste wortkarge Reaktion gibt es von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern zu den Dirty-Campaigning-Vorwürfen gegen seine Partei. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung meinte Kern laut "Zeit im Bild" am Nachmittag: "Da müssen sie mit dem Herrn Niedermühlbichler sprechen, aber es wird doch kein Mensch glauben, dass wir Dirty-Campaigning gegen uns selbst finanzieren."

"Nichts gewusst"

Niedermühlbichler betonte am Samstag in der Parteizentrale zwar, nichts von den falschen Facebook-Gruppen Silbersteins gewusst zu haben. Dennoch sei einer seiner Mitarbeiter involviert gewesen und dafür übernehme er die Verantwortung.

Die ÖVP wirft der SPÖ schon länger vor, verdecktes Dirty Campaigning gegen Kurz zu betreiben. Die Urheber der Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" waren wegen ihrer rassistischen Schlagseite bisher allerdings eher im rechten Milieu vermutet worden. Und "Wir für Sebastian Kurz" gab sich den Anstrich einer Fanseite für den ÖVP-Chef, die mit ihren Postings oft über das Ziel hinausschoss - etwa als sie die ÖVP mit einer Umfrage über die Schließung der Brennergrenze in Erklärungsnot brachte. Die ÖVP verlangte vergeblich die Löschung der Seite.

Nach Angaben der SPÖ soll Wahlkampfberater Tal Silberstein die Facebook-Gruppen ohne Wissen der Parteiführung organisiert gegeben haben. "Silberstein hat hier ohne Auftrag und ohne Wissen des Bundesgeschäftsführers gehandelt", heißt es in einer Aussendung am Samstag. Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler zeigt sich "bestürzt" und spricht von einer "Parallelstruktur" Silbersteins.

Im Netz war nach Bekanntwerden der jüngsten Fakten die Hölle los. Die Kommentare schwankten zwischen Entsetzen, Häme und Verzweiflung:

Die Boulevardmedien, die die SPÖ zunächst wie gewohnt mit Inseraten umschmeichelt hatte, die sie jedoch zuletzt mit Liebessentzug konfrontierte, fordert bereits den Rücktritt von Christian Kern. Das humoristische Gegenstück dazu liefert die "Tagespresse":

Die SPÖ hatte eine Verbindung zu diesen Seiten bisher geleugnet. Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler wies im August darauf hin, dass auf "Wir für Sebastian Kurz" scharf gegen Kanzler Christian Kern geschossen werde: "Die Höhe ist, dass die ÖVP dann auch noch die Chuzpe hat, uns für diese Seiten verantwortlich zu machen. Das ist Dirty Campaigning, wie es im Lehrbuch steht." 

Kern persönlich hatte sich über die angebliche Schmutzkübelkampagne der ÖVP beklagt:

Niedermühlbichler bestätigt gestern, dass zumindest ein Mitarbeiter der Parteizentrale informiert war. Man habe den Fall hausintern "genauestens prüfen lassen", so der SP-Bundesgeschäftsführer: "Es gab tatsächlich einen Mitarbeiter, der um diese Facebookseiten wusste. Da er nach einem schweren Unfall im Krankenstand ist, können wir genauere Informationen dazu nicht erheben."

Betrieben wurden die Facebookseiten den Berichten zufolge von   PR-Berater Peter Puller, der früher auch für die ÖVP und bis vor ganz kurzem für die NEOS gearbeitet hatte. Puller bestreitet in der "Presse", mit Silberstein für die SPÖ gearbeitet zu haben. Gegenüber dem "Standard" gab sich Puller ebenfalls bedeckt. Er habe eine Involvierung in die Anti-Kurz-Kampagne nicht dementiert, formuliert der Standard, habe gleichzeitig jedoch in den Raum gestellt, dass Silberstein auf eigene Faust gehandelt haben könnte.

Die beiden Seiten "Wir für Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" sind am Freitag vom Netz gegangen.

ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger bezeichnete die Dirty Campaigning-Aktivitäten via Twitter als "Tiefpunkt im Wahlkampf" und forderte eine Klarstellung von der SPÖ. 

Die FPÖ schießt sich angesichts der Dirty-Campaigning-Aktivitäten des früheren SPÖ-Beraters Tal Silberstein auf Parteichef Christian Kern ein. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl betonte, Niedermühlbichler sei nur das „Bauernopfer“, während sich „der Verantwortliche schweigend in seinem Kanzlerbüro verschanzt“. Kickl forderte Kern offen zum Rücktritt auf. Denn dieser „vermeine, so eine unfassbare Geschichte durchtauchen zu können“. Damit habe er sich für jedes Amt disqualifiziert. Kickl kritisierte zudem, dass bei Niedermühlbichlers Erklärung „alle wesentlichen Fragen offengeblieben“ seien.

Die Grünen werten die Kampagne mit falschen Facebook-Seiten als "strategischen Irrsinn". Die Wiener NEOS beenden indessen ihre Zusammenarbeit mit dem von Silberstein für die Facebook-Kampagne engagierten PR-Berater.