Seit einem halben Jahr ist Alexander Van der Bellen Bundespräsident der Republik Österreicht. Am Montag war er erstmals in der ZiB2 bei Armin Wolf zu Gast. Das Staatsoberhaupt gab sich dabei betont neutral was die Innenpolitik anlangt.
Das Gerücht etwa, dass er nach dem Platzen der Großen Koalition eine Minderheitsregierung unter SPÖ-Kanzler Christian Kern verhindert habe, wollte er weder bestätigen noch dementieren. "Vertrauliche Gespräche bleiben auch hinterher vertraulich." Die Einigung auf eine Schulreform kommentierte er mit "Immerhin, jetzt kommt es noch darauf an, dass Entsprechendes umgesetzt wird." Das Streitthema der Schließung der Mittelmeer-Route verlagerte er weg von der heimischen Politik in die realen Gegebenheiten in Afrika, insbesondere Libyen. "Die italienische Regierung versucht immer wieder ernsthaft Vereinbarungen zu treffen, aber die Macht der Zentralregierung ist beschränkt." Man müsse schwerpunktmäßig mit jenen Ländern Vereinbarungen treffen, aus denen die Menschen kommen, um die Migration zu beschränken.
Ein neues Sicherheitsgesetz würde er wohl trotz verkürzten Begutachtungsverfahrens unterzeichnen, bei einem generellen Kopftuchverbot wäre er sich hingegen nicht mehr sicher, ob dieses verfassungsrechtlich gedeckt sei. Seinen verunglückten Spruch wonach man "alle Frauen bitten werde, ein Kopftuch zu tragen - aus Solidarität" verteidigte er - und zwar in Bezug auf die Debatte, um die es ihm ging. "Wie weit geht das Recht der Mehrheit? Das war die Dikussion und die werden wir immer wieder führen müssen", sagte Van der Bellen.
Die anstehenden Wahlen verglich er mit dem Geschehen an der Börse: "Auch dort sind die Kurse volatil."
"Die FPÖ ist weit von rechts entfernt"
Im Interview mit der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" erklärte der Bundespräsident: Er sehe sich links von Winfried Kretschmann, einst Kommunist, heute grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg: "Ich halte mich, jedenfalls gesellschaftspolitisch, für einen Linksliberalen. Es ist ja keine Schande, links zu sein."
Auch bekennt er, dass es ihn manchmal jucke, seine Kompetenzen auszureizen: etwa beim Gegenzeichnen des Gesetzes zum Verschleierungsverbot. So sagt er: "Was ich auch unterschrieben habe, obwohl ich persönlich der Meinung bin, dass es kein gutes Gesetz ist, ist etwa das Vollverschleierungsverbot im öffentlichen Raum. Mir ist es extrem unbehaglich, wenn ich so einer Frau auf der Straße begegne. Aber auch wenn es einer Mehrheit unbehaglich ist, gibt ihr das noch lange nicht das Recht, das zu verbieten. Und wenn man das verbietet, bleiben die Frauen dann zu Hause, oder legen sie den Schleier ab? Das weiß niemand."
Wo steht die FPÖ?
Interessant wird es auch bei Van der Bellens Haltung gegenüber der FPÖ. Auf die Frage, ob die FPÖ eine rechte Partei sei, antwortet Van der Bellen: "Das ist eine triviale Frage, ich werde sie nicht beantworten." Um dann doch ausführlich zu antworten. "Historisch gesehen ist es nicht unheikel. Rechts waren traditionell Militaristen, Kriegshetzer. Das ist für mich rechts. Davon ist die FPÖ natürlich weit entfernt." Davon, die FPÖ in eine Regierung zu holen, um sie zu "entzaubern" wie Wolfgang Schüssel es Anfang dieses Jahrtausends getan habe, halte er allerdings nicht viel. "Soll ich jetzt Leute an die Regierung holen, damit sie dort viel Schaden anrichten, damit sie nachher entzaubert sind? Das leuchtet mir nicht ein", erklärt er im Gespräch mit Giovanni di Lorenzo.