Würden Sie aus der Kriminalstatistik, die Sie vor ein paar Tagen präsentiert haben, ableiten, dass Österreich durch die Migration unsicherer geworden ist?

WOLFGANG SOBOTKA: Die Frage ist ja: Wie sicher fühlen sich die Leute? Und das Sicherheitsgefühl ist in dieser Zeit nicht gestiegen, eher sogar gesunken, auch durch die „Vermännlichung“ der öffentlichen Räume. Die ist für uns die größte Herausforderung. In der gefühlten Sicherheit, vor allem an bestimmten Plätzen, ist es unsicherer geworden.

Bilden sich die Leute das ein?

SOBOTKA: Angst ist immer etwas Irrationales. Wir forschen natürlich nach, woher die Ängste kommen. Das hat zum einen zu tun mit der Form, wie über die Sozialen Medien kommuniziert und die Wirklichkeit in spezieller Weise beleuchtet wird, zum anderen mit der fokussierten medialen Berichterstattung, egal ob Print oder Online.

Und mit der Politik?

SOBOTKA: Die Politik ist in diesem Fall hinten nach, die kann ja gar kein Interesse daran haben, Unsicherheiten herbeizureden. abgesehen von Rändern, wo der Verdacht nicht unbegründet ist. Ich orientiere mich nur an den Fakten. Ziel ist, alles zu verhindern, was ein gesellschaftliches Auseinanderbrechen noch befeuert, und das subjektive Sicherheitsgefühl ernst zu nehmen. Menschen gut zu informieren, zu Beteiligten werden lassen, indem sie selber mitgestalten können. Wir können Sicherheit nicht nur delegieren an die Polizisten. Das wäre gefährlich.

Mit der Novelle zum Versammlungsgesetz sollen Auftritte ausländischer Politiker untersagt werden, wenn der Schutz von Menschen- oder Grundrechten in Gefahr ist. Was daran ist neu?

SOBOTKA: Die Präzisierung dessen, was eine Versammlung ist, wenn nämlich Meinungen geäußert werden. Die Menschen- und Grundrechte sind für Europa verbindlich. Wenn sie in Österreich in Zweifel gezogen werden, braucht eine wehrhafte Demokratie die Möglichkeit, das zu unterbinden. Bemerkenswert ist, dass Kanzler Kern vor einer Woche noch dagegen war und jetzt für ein europäisches Verbot ist. Diese Slalomfahrerei, richtet sich die nach dem Wasserstand der Donau, oder was?

Die SPÖ wirft Ihnen vor, dass Ihr Vorschlag unbrauchbar ist.

SOBOTKA: Das ist ein Kasperltheater. Die SPÖ muss sich endlich entscheiden. Mein Vorschlag liegt am Tisch und wurde mit Experten erarbeitet. Die Bevölkerung hat kein Verständnis dafür, dass ausländische Konflikte nach Österreich hereingetragen werden und erwartet sich eine rasche Lösung.

Zum Thema Asyl: Was genau passiert künftig mit einem abgelehnten Asylwerber?

SOBOTKA: Während seines Verfahrens hätte er freiwillig ausreisen können. Jetzt muss er ausreisen. Zuerst bekommt er eine Rückkehrberatung. Dann soll er möglichst selbständig ausreisen, bekommt dafür Geld. Die nächste Stufe ist, dass wir die Grundversorgung einstellen.

Wie schnell?

SOBOTKA: Das wird man sehen. Wir haben derzeit 3.300 Betroffene, und meine Experten sagen mir, bei der Hälfte kann man die Versorgung umgehend einstellen, weil die haben überhaupt keinen Grund, hierbleiben zu können.

Und dann?

SOBOTKA: Wir entziehen ihm die Grundversorgung, das ist schon jetzt im Fremdengesetz vorgesehen. Neu ist, dass er dann auch bestraft, allenfalls zu Ersatzarrest verurteilt wird. Als nächstes würde er festgehalten, in einem Ausreisezentrum, so lange , bis ich ihn in Schubhaft nehmen und in die Heimat bringen kann.

Bedeutet das im Extremfall eine lebenslange Haftstrafe?

SOBOTKA: Das wird nicht gehen, wegen der Menschenrechtskonvention. Er wird dann halt abwechselnd wieder auf freien Fuß gesetzt, wieder aufgefordert, außer Landes zu reisen, und das Procedere fängt von vorne an. Wenn es ein Straftatbestand wäre, nicht nur eine Verwaltungsübertretung, dann täten wir uns noch leichter.

Wo sollen die Ausreisezentren sein?

SOBOTKA: Wir haben auf den Flughäfen Transitzonen, dort kann man das machen. Die polizeilichen Anhaltezentren in den Landeshauptstädten können wir auch nehmen.

Sie haben bald Ihren 1. Jahrestag als Minister.

SOBOTKA: Ja, am 21. April.

Und Sie haben sich innerhalb kürzester Zeit die Rolle des Agent Provocateur erarbeitet. Bewusst? Oder ist das Teil der vergifteten Situation in der Regierung?

SOBOTKA: Wir sind in einer schwierigen Lage. Der Koalitionspartner will seit dem Wechsel von Faymann zu Kern wählen gehen.

Die ÖVP will nicht wählen?

SOBOTKA: Ich bin weder ÖVP-Bundesparteiobmann noch sitze ich im Parteivorstand. Ich bin Innenminister und muss schauen, dass ich die Probleme, die wir haben, bestmöglich löse. Das ist mein Job. Jetzt können Sie immer sagen, dass etwas anderes auch noch im Hinterkopf mitspielt, aber glauben Sie mir: Ich habe mit der sachlichen Arbeit alle Hände voll zu tun. Ich fühle mich nicht als Provokateur.

Sondern?

SOBOTKA: Die Bevölkerung, die Polizei brauchen die Gewissheit, dass sie sich auf mich verlassen können, dass ich nicht wie ein Fähnchen im Wind ständig die Fronten wechsle. Sie brauchen die Verlässlichkeit, dass ich alles tue, um die polizeiliche Arbeit zu verbessern. Das Entmutigendste ist, wenn der Polizist arbeitet und das Gefühl hat, dass alles umsonst ist, weil es keine Folgen hat.

Den Kanzler mögen Sie nicht wirklich, oder?

SOBOTKA: Das hat mit dem Mögen nichts zu tun. Da braucht es keine Freundschaft. Er ist ein Partner für mich, wie jeder andere. Dass ich mit dem Doskozil gut kann, dass ich mir mit dem Leichtfried leicht tue, auch mit der Hammerschmid, das ist bekannt. Im Sommer sagte der Kanzler einmal zu mir, „wir sind ja nicht in einem Kindergarten,ich stehe jetzt auf“. Da habe ich gesagt: „Ich bin hier nicht im Kindergarten, ich bin Mitglied der österreichischen Bundesregierung. Wiederschauen.“ Ich lasse mich nicht beleidigen. Ich bin ja 61 Jahre alt und kein Rotzbub. Das muss jeder zur Kenntnis nehmen, ich lass mir das von niemandem bieten. Das gilt auch für den Kanzler. Er kommt halt von außen und muss die unterschiedlichen Facetten der politischen Arbeit erst kennenlernen. Das ist so, das sage ich ganz offen. Das ist ja auch kein Vorwurf, er war in einem Staatsbetrieb und musste sich auf der großen politischen Bühne vorher nicht beweisen.

Wahre Liebe.

SOBOTKA: Nein. Ich bin nur nüchtern und pragmatisch. Aber am Anfang zum Beispiel hatten wir gleich die Diskussion über die Zahlen. Ich habe ihm erklärt, wie das ist, mit den zugelassenen Verfahren und den abgereiften Fällen, und er nimmt die eine Zahl her und plaudert sie raus. Das ist sein Problem, er glaubt immer gleich, er muss etwas mitteilen.

Wann wird denn gewählt?

SOBOTKA: Das müssen Sie den Bundeskanzler fragen.

Und was meinen Sie? Erst im nächsten Jahr?

SOBOTKA: Alles ist möglich. Ich habe es mir abgewöhnt, etwas zu glauben. Alles was ich sage, ist falsch. Sage ich Ende 2018, wo wir mitten im EU-Vorsitz sind und den Brexit endverhandeln, fragen Sie mich, ob ich narrisch bin. Ich kann mit allen Terminen leben, ich möchte es nur rechtzeitig wissen.

Was macht das Musizieren?

SOBOTKA: Ich bin Freitag Abend grundsätzlich nicht buchbar, weil ich da mein Orchester dirigiere.

Was spielt man da so? Bach?

SOBOTKA: Derzeit eher Filmmusik.

Welche denn?

SOBOTKA: Fluch der Karibik.