Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner war am Dienstag nach dem Machtkampf mit ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka um Beruhigung bemüht. Von einem "Streit" in der ÖVP wollte Mitterlehner nach dem Ministerrat nicht reden, es sei vielmehr um die "Abklärung der Vorgangsweise" gegangen, so der ÖVP-Chef.

"Kein Streit" innerhalb der ÖVP nach Wahldebatten

Für Andreas Khol, den ehemaligen und langjährigen Klubobmann im Parlament, ist der Richtungsstreit in der ÖVP jedoch "sicherlich nicht" beendet. Laut Khol, der für die Mittwoch-Ausgabe einen Gastkommentar für die Oberösterreichischen Nachrichten schrieb, gehe es beim jüngsten Machtkampf nur vordergründig um unterschiedliche Einschätzungen der Kandidaten der Bundespräsidentenwahl.

"Wie so oft gibt es ein Ringen innerhalb der Partei um den Weg aus der derzeitigen unbefriedigenden Lage. Wohin geht die Volkspartei nach den nächsten Nationalratswahlen, wann immer sie sein werden? Diese Frage stellt sich immer dringender seit dem 1. Wahlgang zur Präsidentenwahl." 

In der ÖVP versuche unterdessen "die Gruppe um Mitterlehner nun mit Christian Kern doch noch Reformen durchzubringen und damit das Vertrauen der Bevölkerung nach dem streiterfüllten Stillstand der letzten Jahre zurückzugewinnen. Die andere Gruppe, Reinhold Lopatka ist nur der sichtbar gemachte Wortführer, hat diese Hoffnung aufgegeben und sucht neue Koalitionen, wohl auch mit der FPÖ." Diese Auseinandersetzungen in beiden Parteien sind laut Khol "legitim und unvermeidbar".

"Lopatka personifizierter Störfaktor"

Gerade Khol sollte es besser wissen: Was immer es intern an unterschiedlichen Meinungen gegeben hat: Nach außen hin war er als Klubobmann mit dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel ein unerschütterliches und untrennbares Gespann, der Zuchtmeister des ÖVP-Klubs quasi. Der heutige Klubobmann Lopatka hingegen sei für manche mittlerweile der "personifizierte Störfaktor der Nationalratsfraktion", wie es ein Insider formuliert. Das sei ganz offensichtlich nicht die Rolle, die man in dieser Funktion zu spielen habe.

Auch Politikwissenschafter Fritz Plasser geht von  grundsätzlichen Differenzen aus. Im Ö1-Morgenjournal erklärte er, Mitterlehner stehe für den Flügel der Partei, der für den Weiterbestand der Koalition sei, Lopatka für jene, die nicht mehr weitermachen wollen. Mit Außenminister Sebastian Kurz - so laut Plasser die Überlegungen der ÖVP - würde sich die Ausgangslage für Neuwahlen verbessern.

Mit der Beilegung des Konflikts zwischen Lopatka und Mitterlehner sei die aktuelle Debatte zwar beendet, Plasser rechne aber mit "deutlichere Bewegungen" ab Jahreswechsel in der ÖVP.

Auch Schelling gegen alle anderen

Misstöne gibt es indes auch an einer anderen Front: Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zeigt sich im "Kurier" empört über den von der Regierungsspitze ausverhandelten Pensionshunderter. "Was hier passiert, ist das Gegenteil eines New Deals. Das wird den Parteien keine einzige Stimme bringen", sagt der Minister.

Er wurde, so der "Kurier" (Mittwoch-Ausgabe), von Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) umgangen. Sie haben diesen "Deal" hinter dem Rücken Schellings ausgemacht. Der ÖVP-Minister war für eine sozial gestaffelte Pensionserhöhung: Plus 1,2 Prozent für Pensionen bis 1.050 Euro, darüber plus 0,8 Prozent. "Das wäre nachhaltig und sozial fair gewesen."

Die Regierungsspitze hat aber eine durchgehende Erhöhung um 0,8 Prozent plus 100 Euro Einmalzahlung (steuerfrei für alle, unabhängig von der Bezugshöhe) vereinbart - letzteres auf Drängen der SPÖ angesichts der im Frühjahr vereinbarten Einkommensentschädigung für die Bauern wegen vieler Verluste durch Hagel, Frost, Russland-Sanktionen etc. Die ÖVP-Arbeitnehmerorganisation ÖAAB forderte daraufhin, dass nicht nur ASVG-Pensionisten, sondern auch Beamte die Einmalzahlung bekommen. Das wird nun zwischen ÖVP und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) verhandelt.