Der Wiener Würstelstand sei für ihn auch ein „sozialer Treffpunkt, da bleiben die Leute schon länger hängen“, sagt Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler, nachdem er sich eine Currywurst mit scharfer Soße bestellt und den Herrn an der Theke neben ihm gegrüßt hat. Dass die Wählerinnen und Wähler seine Partei bei der bevorstehenden Nationalratswahl hängen lassen und für die aktuelle Unzufriedenheit mit der Regierung bestrafen könnten, fürchtet Kogler nicht.

„Ich habe eigentlich selten Angst und schon gar nicht in der Politik.“ Man habe als Grüne schließlich geliefert, „wir als 14-Prozent-Partei setzen mehr durch als die ÖVP“. Unter anderem sei die „Organisation der ganzen Energiewende“ gelungen, „das ist riesig, finde ich“, während die Autos am Wiener Schwarzenbergplatz vorbeirauschen. Das solle den Grünen erst einmal jemand nachmachen.

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Was war Koglers größter Fehler während seiner Zeit in der Regierung? Fehler seien keine passiert, antwortet er. Bei der damaligen Regierungsverhandlung hätte man im Nachhinein aber wohl transparent machen sollen, welche Postenbesetzungen politisch entschieden werden. Damit spielt Kogler auf den inzwischen berühmten Sideletter zwischen den Koalitionspartnern an. Gern durchgebracht hätte er zudem „echte“ strafrechtliche Konsequenzen bei Finanzvergehen in Sachen Parteientransparenz für die jeweiligen Manager.

Scharfe Gewürze will er an diesem Nachmittag keine testen, wagemutiger war dagegen der grüne Alleingang von Umweltministerin Leonore Gewessler in Sachen Renaturierung. Dass sich die Partei mit diesem Vorgehen um die Chance auf eine erneute Regierungsbeteiligung nach der Wahl gebracht haben könnte, befürchtet der Parteichef nicht. „Es war schon erkennbar, wie wir uns da verhalten werden“, aber ja, „wir haben unser wahres Gesicht gezeigt“. Und die diversen Rechtsmittel, die die ÖVP gegen dieses Vorgehen eingebracht hat? „Wunderbar, das schau’ ich mir an, wie das ausgeht, viel Vergnügen“, sagt Kogler. Kurz nach dem Gespräch wird bekannt, dass die ÖVP mit einer Klage bereits abgeblitzt ist.

Gute Vertrauensbasis mit Nehammer

Zudem habe der türkise Koalitionspartner damals ja auch Stein und Bein geschworen, bei einem Abgang des inzwischen ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz ebenfalls zu gehen. Es kam bekanntlich anders, also agiere auch die Volkspartei manchmal anders, als erwartet. Sein heutiges Gegenüber, Karl Nehammer, sei hingegen „ein ganz anderer Typ, um nicht zu sagen der Gegenteilige“.

Man verstehe sich gut, „und das ist auch jetzt noch so“. Mit Nehammer habe er eine gemeinsame Vertrauensbasis, „auch, wenn das in diesem einen Fall einmal anders war“, sagt er in Hinblick auf die Renaturierung. Aber der türkise Innenminister Gerhard Karner agiere in Sachen Schengenraum ja auch „anders, als wir es wollen würden, muss man auch leben damit“.

Das Nein zu einer Koalition mit der FPÖ „kann man dem Karl Nehammer schon halbwegs abnehmen“, aber dessen Partei habe in den Bundesländern mehrfach gezeigt, dass man nach einer Wahl keine Berührungsängste mit den Blauen hat. Und der Parteichef sei durchaus austauschbar. Bei der SPÖ sei das „überhaupt nicht anders, dem Andi Babler glaube ich das sofort“, aber diverse Landesvorsitzende „haben klar aufgemacht zur FPÖ“, zeigt sich Kogler überzeugt, unter anderem der steirische Parteichef Anton Lang.

Kogler im Gespräch mit Innenpolitik-Redakteurin Traar beim „scharfen René“
Kogler im Gespräch mit Innenpolitik-Redakteurin Traar beim „scharfen René“ © Christoph Kleinsasser

Dass Herbert Kickls FPÖ in den Umfragen führt, kann Kogler nicht nachvollziehen. „Es heißt Nationalratswahl und nicht Volkskanzlerwahl“, nur der Bundespräsident werde direkt gewählt. Die Frage der Mehrheiten sei dann eine zweite, ein Ausschluss des Erstplatzierten für Verhandlungen sei deshalb nichts Undemokratisches. Seinem ehemaligen Parteikollegen und heutigen Bundespräsidenten, Alexander Van der Bellen, wolle er in Sachen Regierungsbildungsauftrag nicht dreinreden, er werde aber wohl „moderieren, dass tragfähige Mehrheiten rauskommen“.

Die jüngsten deutschen Verschärfungen im Asylbereich seien in Österreich längst umgesetzt, sagt Kogler. In der Frage des umstrittenen Abschiebefluges nach Afghanistan „bleibt für Österreich eine ähnliche Möglichkeit“, nachdem der Verfassungsgerichtshof dies unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt hatte. Die Frage sei aber, ob man mit „dem mittelalterlichsten Regime der Welt“, den Taliban, zusammenarbeiten will.

Bleibt er Grünen-Chef?

Dass mit Listengründerin Madeleine Petrovic (Ex-Parteichefin) und KPÖ-Kandidat Tobias Schweiger (Gründer der Jungen Grünen) zwei ehemalige Parteikollegen antreten, „kenne ich nicht anders“. Man hatte mit Johannes Voggenhuber und Peter Pilz mehrfach Gegenkandidaten aus den eigenen Reihen. Was hat er aus der Causa Lena Schilling gelernt? „Was ich daraus lernen sollte, weiß ich nicht, aber die Lena Schilling hat sehr viel daraus gelernt“, sagt Kogler. Sie habe Fehler eingestanden und sich entschuldigt „und sie arbeitet daran, dass das zukünftig deutlich anders sein wird“. In Sachen Krisen-PR hätte man aber „einiges besser machen können“.

Zu seiner eigenen Zukunft an der Parteispitze bleibt Kogler hingegen vage. „Es wäre schon der Plan und die Absicht“, dass er bei einer grünen Koalitionsbeteiligung ein Ministerium übernehme. Bleibt er Grünen-Chef? „Das werden wir gemeinsam besprechen, wie bis jetzt auch.“