Von 24. auf 25. September 2008 erlebte Österreich die teuerste Nacht der Zweiten Republik. Das vorzeitige Ende der rot-schwarzen Koalition bedingte damals ein freies Spiel der Kräfte im Nationalrat, das hierzulande stets als Geldverteilung interpretiert wird. In der letzten Plenarsitzung vor der Wahl überboten einander die Parteien mit Pensionserhöhungen, Steuersenkungen, Gebührenaussetzung und neuen Zuschüssen. Am Ende, in den frühen Morgenstunden, standen Beschlüsse, die bis heute mehr als 15 Milliarden Euro an Ausgaben verursachten.

In der Vorwoche hat der Fiskalrat, wie berichtet, seine Defizitprognose erhöht und geht nun von einer Überschreitung der Maastricht-Grenze von drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus. Das Finanzministerium widerspricht und wird ein Defizit von 2,8 Prozent nach Brüssel melden. Im Zuge der Auseinandersetzung zwischen Budgetwächtern einerseits und Ministerium andererseits ist beinahe untergegangen, wie teuer den Staat die Wahlgeschenke der vergangenen Jahre gekommen sind. Dem freien Spiel der Kräfte 2008 sind weitere gefolgt, deren budgetäre Auswirkung der Fiskalrat einer Gesamtanalyse unterzogen hat.

Defizit wäre fast um einen Prozentpunkt niedriger

Ohne Wahlzuckerl hätte sich Minister Magnus Brunner (ÖVP) jedenfalls den Konflikt mit dem Fiskalrat erspart, denn das Defizit wäre um fast einen ganzen Prozentpunkt niedriger. Die jährlichen Ausgaben lägen um 4,1 Milliarden Euro unter dem jetzigen Niveau. Insgesamt haben die diversen Wahlzuckerl bisher zu Mehrkosten von 31 Milliarden Euro geführt, berechnete der Fiskalrat. Die Kurzanalyse ist freilich als eine Annäherung zu verstehen: Die Erhöhung des Pflegegeldes 2019 war bereits überfällig, sie passierte aber eben kurz vor der Wahl.

Als Wahlzuckerl definierten die obersten Budgetwächter Beschlüsse, die im Kalenderjahr einer Nationalratswahl getroffen wurden und entweder nur von einer Regierungspartei mitgetragen wurden oder jedenfalls laut Koalitionsprogramm nicht vorgesehen waren. Nicht inkludiert wurde deshalb auch 2017 die Abschaffung des Pflegeregresses, die damals mit breiter Mehrheit, allerdings ohne jegliche Gegenfinanzierung beschlossen wurde.

Teure Zuckerl vor der Wahl 2019

Rund die Hälfte dieser 31 Milliarden Euro waren allein der langen Nacht der Gießkanne im September 2008 geschuldet. Mit etwa sechs Milliarden Euro schlug sich seither die Reduktion der Mehrwertsteuer auf Medikamente zu Buche, die damals von SPÖ, FPÖ und BZÖ beschlossen wurde. Die 13. Familienbeihilfe – eine Initiative der ÖVP – dürfte nach Berechnungen des Fiskalrats Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro verursacht haben.

Aus der Auswertung des Fiskalrats geht hervor, dass Pensionistinnen und Pensionisten die Hauptadressaten von Wahlzuckerln sind. Die diversen außertourlichen Pensionserhöhungen und Zugangserleichterungen, die jeweils kurz vor Nationalratswahlen beschlossen wurden, führten zu Mehrkosten von 8,2 Milliarden Euro seit dem Jahr 2008. Speziell 2019 wurde fast ausschließlich die ältere Generation bedacht.

Ältere Generation Hauptadressatin von Wahlzuckerln

Die kurzfristigen Beschlüsse von damals hatten zur budgetären Entfaltung zwar noch nicht lange Zeit, die damals durchgewunkene außertourliche Pensionserhöhung, die Pflegegeldvalorisierung sowie diverse Beitragssenkungen haben dennoch bereits Mehrausgaben von 8,2 Milliarden Euro bewirkt. Das ist in diesem kurzen Zeitraum doch bemerkenswert, und diese Kostensteigerungen entwickeln sich zudem dynamisch. Von einer Milliarde Euro im ersten vollen Jahr auf zuletzt bereits zwei Milliarden Euro.

Was sich bei der Analyse auch zeigt: Ein vorzeitiges Ende einer Regierungszusammenarbeit kommt den Staat teuer. Im Jahr 2008 hatte Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) mit den berühmten Worten „Es reicht“ die Koalition beendet und damit indirekt die Ausgabenspirale in Gang gesetzt. 2017 sowie 2019 hatte jeweils Sebastian Kurz (ÖVP) Neuwahlen ausgerufen, nur 2013 endete die Regierungszeit regulär und wurde nach der Wahl auch fortgesetzt. In jenem Jahr wurde dann auch nur das Pendlerpauschale erhöht – von SPÖ und ÖVP im Gleichschritt und dies etliche Monate vor der Wahl. Auch heuer dürfte es kein freies Spiel der Kräfte geben.