Das Wichtigste und eigentlich Selbstverständlichste zu Beginn: Private Gespräche zwischen Bürgerinnen und Bürgern gehen den Staat nichts an. Deshalb gibt es etwa ein Briefgeheimnis und ein Kommunikationsgeheimnis, das auch Telefongespräche umfasst. Trotzdem gibt es Ausnahmen. Diese gibt es dann, wenn es wegen Gefahr von Terror oder schwerem Verbrechen ein Richter genehmigt: In diesen Fällen dürfen Briefe beschlagnahmt oder Telefongespräche abgehört werden. Es besteht in solchen Fällen eine konkrete Gefahr für das Leben von Menschen.

Nun kann man davon ausgehen, dass heute weder Terroristen noch Schwerkriminelle Briefe schreiben. Das zeigen auch die Ermittlungserfolge unseres Verfassungsschutzes, der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), und der Kriminalpolizei. Hier nur einige Beispiele: Die Vereitelung der Attentatspläne auf die Regenbogen-Parade mit drei Festnahmen oder knapp vor Weihnachten wurden weitere Verdächtige aus dem Bereich des Islamistischen Extremismus verhaftet.

Auch bei Rechtsextremisten gab es Hausdurchsuchungen und Festnahmen. Zuletzt wurde ein mutmaßlicher Russland-Spion aus dem alten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) festgenommen. Diese Fälle haben eines gemeinsam: Die Kommunikation lief über das Internet, über Apps wie zum Beispiel WhatsApp oder Signal. Und: Die teils ausschlaggebende Information kam aus dem Ausland, von befreundeten „Geheimdiensten“ oder der Polizei.

Österreich ist beim Thema Terrorabwehr nicht autark

Andere Länder haben nämlich die rechtliche Möglichkeit auf solchen Kanälen Gespräche zur Gefahrenabwehr zu überwachen, die Polizei und der Staatsschutz in Österreich haben das nicht. Wir sind die einzigen in der Europäischen Union, die nicht diese Möglichkeit haben.

Deshalb ist die österreichische Polizei in solch gefährlichen Fällen davon abhängig, ob sie Informationen aus dem Ausland bekommt oder eben nicht. Bei der Diskussion um Nahrungsmittel oder der Energiesicherheit legen wir zu Recht hohen Wert darauf, dass Österreich unabhängig, autark und robust ist. Als Innenminister der Republik bin ich überzeugt: Beim Thema Terrorabwehr tun wir das noch viel zu wenig.

Unserer Polizei geht es nicht darum, die Urlaubsfotos der Menschen auf WhatsApp zu kontrollieren oder Glückwünsche zum Geburtstag auf Signal zu überwachen. Es geht darum, dass unsere Polizei ihre Arbeit für die Sicherheit der Menschen in Österreich tun kann: Etwa Terroranschläge verhindern und Organisierte Kriminalität bekämpfen. Um diese Aufgaben aber auch erfolgreich zu erledigen, braucht sie die nötigen Werkzeuge: Das ist heute – nach richterlicher Genehmigung - nicht mehr die Beschlagnahme von Briefen, sondern die Überwachung der Kommunikation im Internet. 

Stellen Sie sich vor, all unsere Wohnungen lassen sich durch einen versteckten „Produktionsfehler“ sekundenschnell öffnen. Alle, die diesen versteckten Fehler kennen, könnten einfach in die Wohnungen von großen Teilen der Bevölkerung eindringen, durch den Türspalt schauen, oder sich nach Lust und Laune an Briefen, Wertgegenständen, Dokumenten, Familienfotos und vielem anderen bedienen. Würde so ein versteckter Produktionsfehler in Türschlössern entdeckt werden, würde man vom Hersteller wohl mit Recht erwarten, den Fehler sofort zu beheben.

Ähnlich ist es mit „Produktionsfehlern“ in unseren Telefonen: Alle Smartphones, Computer und Co. haben aufgrund der Komplexität Sicherheitslücken. Diese Schwachstellen sollten wir vor allem im Zeitalter massiv steigender IT-Attacken so schnell wie nur möglich schließen.

Trotzdem fordern Politik und Sicherheitsbehörden nicht nur in Österreich immer wieder Zugang zu verschlüsselter Kommunikation. Wer mitlesen will, kann das aber nur über genau solche offengelassenen Schwachstellen. Damit würde der Staat in die Unsicherheit unserer gesamten IT-Infrastruktur investieren.

Ob die Überwachungssoftware „auf Chats beschränkt“ ist und nur in Einzelfällen eingesetzt wird, spielt keine Rolle. Sie ist immer auf dieselben künstlich offengehaltenen Einfallstore angewiesen, durch die sie auf Smartphones & Co einsteigt – und die stehen auch allen Kriminellen & Spionen offen.

Zudem liegen diese Schwachstellen so tief, dass sie immer weitreichenden Zugriff ermöglichen, etwas auf Dokumente, Fotos, Standort oder Kamera. Selbst eine „Beschränkung“ der Software auf Messengerapps ist also nur eine willkürliche Einstellung, die jederzeit leicht geändert werden kann.

Erpressungen und Datendiebstahl bei Unternehmen und Krankenhäusern oder, wie in Kärnten, einer ganzen Landesregierung sind nur einige Folgen offener Einfallstore. Sie sind geradezu eine Einladung für Computerkriminelle, die Kontrolle über sensible Geschäftsdaten, Dokumente wie Reisepässe oder Impfdaten zu übernehmen. Auch bei unseren ungarischen Nachbarn sehen wir die Auswirkungen von (staatlicher) Spionagesoftware. Dort wurden die Geräte von Rechtsanwälten, einem Oppositionspolitiker und Journalisten mit hochkarätigen Quellen aus Diplomatie und nationalem Sicherheitsbereich mit Spionagesoftware infiziert. Auch mutige Menschen, die etwa Korruption aufdecken, sind dadurch Angreifern ausgeliefert.

Egal, wie man es dreht und wendet, das (staatliche) Abhören von verschlüsselter Kommunikation birgt ein massives Missbrauchspotenzial und gefährdet uns alle. Der Staat hat die Pflicht uns zu schützen und darf keine Einfallstore für Kriminelle fördern.