Der bosnisch-serbische Ex-Präsident Radovan Karadzic ist am heutigen Donnerstag vom UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen des Völkermordes in Srebrenica schuldig gesprochen worden. Karadzic sei "strafrechtlich verantwortlich" für den Völkermord, sagte Senatsvorsitzender O-Gon Kwon. Karadzic wurde zu 40 Jahren Haft verurteilt. Laut seinem Anwalt will der 70-Jährige gegen das Urteil berufen.
Insgesamt wurde Karadzic in zehn von elf Anklagepunkten schuldig gesprochen, in einem Völkermord-Anklagepunkt wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
So machte er sich nach Ansicht des Tribunals bei der Belagerung Sarajevos der Kriegsverbrechen schuldig. Zudem habe er Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Teilen Bosniens begangen, urteilten die UNO-Richter am Donnerstag.
Die Elf-Punkte-Anklage umfasste den Völkermord in Srebrenica und in sieben weiteren bosnischen Gemeinden, zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf dem während des Krieges von den bosnisch-serbischen Truppen kontrollierten Gebieten, die 44-monatige Beschießung von Sarajevo und die Geiselnahme von 377 UNO-Soldaten durch bosnisch-serbische Truppen im Mai und Juni 1995.
Vorwürfe heruntergespielt
Kurz vor der Urteilsverkündung versucht der bosnisch-serbische Ex-Präsident Radovan Karadzic das schlimmste Verbrechen im dreijährigen Bosnien-Krieg (1992-95), das Massaker von Srebrenica, herunterzuspielen und auf seine Weise zu interpretieren. Die Vorwürfe seien übertrieben, es seien nur einige hundert Personen erschossen worden, sagte er dem Internetportal BRIN am Mittwoch.
"Keine Übertreibung kann uns helfen, Verständnis und Frieden unter uns zu errichten", sagte Karadzic mit Blick auf gesicherte Berichte, wonach in Srebrenica rund 8.000 Männer und Burschen massakriert wurden. Im Laufe des Prozesses behauptete Karadzic, dass auch jene Einwohner Srebrenicas zu den Opfern des Massakers gezählt worden seien, die in den Kämpfen mit bosnisch-serbischen Truppen ums Leben gekommen seien.
Zynische Version
Eine eigene Version hatte Karadzic im Laufe des Prozesses auch zur 44-monatigen Beschießung der Hauptstadt Sarajevo durch bosnisch-serbische Truppen. Die 16.000 Todesopfer in Sarajevo seien "Kollateralopfer" der Kriegshandlungen gewesen. Eine Erklärung hatte er auch für die zu Kriegsbeginn errichteten Konzentrationslager für Nicht-Serben bei Prijedor. Die Lager seien ein Versuch gewesen, diese Personen in "Schutz" zu nehmen.
Die Ankläger forderten lebenslang für den Angeklagten, Karadzic plädierte auf Freispruch. Es gebe kein vernünftiges Gericht, das ihn verurteilen würde, meinte der einstige bosnisch-serbische Präsident noch am Mittwoch.
Zu den meisten Anklagepunkten hat sich das Tribunal bereits in den früheren Verfahren wiederholt geäußert. Angeklagte bosnische Serben wurden, wie Medien errechneten, bisher zu insgesamt mehr als 1.000 Jahren Haft verurteilt. Wegen des Massakers an rund 8.000 muslimischen Einwohnern von Srebrenica und der Beschießung der Hauptstadt Sarajevo wurden auch mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen.
Zahlreiche Opfervertreter wohnten der Urteilsverkündung am Donnerstag bei. Sie alle forderten die Höchststrafe für den früheren bosnischen Serbenführer. "Karadzic war das Alpha und Omega in Bosnien. Er und (der frühere bosnisch-serbische Militärchef, Anm. ) Ratko Mladic müssen die höchste Strafe erhalten", meinte Munira Subasic vom Verband "Mütter der Enklaven Srebrenica und Zepa" vor der Abreise nach Den Haag.
Karadzic war im Juli 2008 nach mehrjähriger Flucht in Belgrad festgenommen worden, wo er unter dem Namen Dragan Dabic als Seelenarzt tätig war. Drei Jahre später wurde in Serbien auch sein früherer Militärchef Ratko Mladic gefasst. Sein Prozess ist noch im Gange.