Der frühere deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat vor einer Vorverurteilung Russlands wegen des Nervengiftanschlags in Großbritannien gewarnt. "Jemand ist solange unschuldig, bis jemand das Gegenteil bewiesen hat", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend beim Deutsch-Russischen Forum in Berlin.

Er verstehe die britische Besorgnis, weil der Einsatz eines chemischen Kampfstoffes zur Tötung eines Menschen ein "Skandal" sei. "Ich rate uns allerdings dazu, als Deutsche und Europäer in der Debatte sich nicht hineintreiben zu lassen in eine immer schriller werdende öffentliche Diskussion", fügte er hinzu.

Weitere Untersuchungen

Er forderte eine Untersuchung durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Danach solle man sehen, ob es Belege für die eine oder andere These gebe. "Es verhindert eines - das ist vielleicht das schlimmste Gift in internationalen Beziehungen -, dass jetzt die Spirale der gegenseitigen Verdächtigungen und seltsamen Erzählungen beginnt." Gabriel mahnte eine besonnene Haltung Deutschlands an. Zuvor hatten die Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA in einer gemeinsamen Erklärung angedeutet, dass sie Russland hinter dem Anschlag sehen.

Gabriel forderte vor allem einen deutsch-russischen Dialog, wies aber gleichzeitig Russland eine Verantwortung für die verschlechterten Beziehung zu. Das Land habe die territorialen Grenzen der Ukraine mit militärischen Mittel verletzt. Er erneuerte zudem seine umstrittene Forderung, dass die in der Ukraine-Krise verhängten EU-Sanktionen gegen Russland schrittweise gelockert werden müssten, wenn es gelinge, in der Ostukraine einen Waffenstillstand und einen Abzug der schweren Waffen zu erreichen.