Der deutsche Bundespräsident macht Druck auf die Parlamentsparteien, doch noch zu einer Einigung zur Bildung einer Regierung zum kommen. Derzeit sind die Spitzen der Grünen,  die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir, bei Frank-Walter Steinmeier. Ab 16 Uhr muss FDP-Chef Lindner dem Bundespräsidenten in seinem Amtssitz Schloss Bellevue einen Besuch abstatten. Sollten die Jamaika-Sondierungen nicht wieder aufgenommen werden, drohen Neuwahlen.

Nach dem Scheitern der Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis in Deutschland hat SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition erneut eine Abfuhr erteilt. Zwar werde sich die SPD den von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geforderten Gesprächen über einen Ausweg aus der aktuellen politischen Krise nicht verweigern, doch habe die Große Koalition bereits vor der Wahl "am Ende auch inhaltlich nicht mehr die Substanz und die Kraft" gehabt, die sie vielleicht vorher gehabt habe, so Nahles. Sie schloss Neuwahlen nicht aus: "Wir scheuen diese Option nicht", sagte Nahles im ZDF. 

Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat unterdessen die Parteien zu Kompromissbereitschaft aufgerufen. Dies gehöre zum Wählerauftrag, sagte Schäuble. Gleichzeitig warnte er davor, die Situation zu dramatisieren. "Es ist eine Bewährungsprobe, aber es ist keine Staatskrise." 

FDP-Chef Christian Lindner wirbt in einem Brief an die Mitglieder um Verständnis für den Ausstieg seiner Partei aus den Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen. Den Geist des Sondierungspapiers könne die FDP nicht verantworten, heißt es in dem von der Partei am Dienstag veröffentlichten Schreiben. Viele der diskutierten Maßnahmen seien gar schädlich.

"Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und alles das, wofür wir Jahre gearbeitet haben", heißt es darin weiter. Beim Solidaritätszuschlag, den die FDP bis 2021 komplett abschaffen will, habe nur ein Vorschlag vorgelegen, mit dem die Ergänzungsabgabe "mäßig reduziert" und bis in die nächste Legislaturperiode fortgeschrieben worden wäre. Bei der Zuwanderung wäre zwar eine qualifizierte Einwanderung über ein Punktesystem erreichbar gewesen, beim Familiennachzug habe es am Sonntagabend aber immer noch keine Einigung gegeben.

Steinmeier will heute Nachmittag um 16 Uhr auch mit FDP-Chef Christian Lindnerausloten, ob es noch Chancen für eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen gibt.

Währen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sich eher für Neuwahlen als für eine Minderheitsregierung aussprach, versuchen Teile ihrer CDU, diese noch abzuwenden. "Wir können uns nach einer solchen Wahl nicht einfach in die Büsche schlagen", sagte Kanzleramtschef Peter Altmaier im ZDF-"Morgenmagazin". Zwar nannte er SPD und FDP nicht beim Namen, doch offensichtlich richtete sich seine Mahnung an sie. Es müsse "in den nächsten drei Wochen" Klarheit darüber geben, ob es möglich sei, auf Grundlage des bisherigen Wahlergebnisses eine stabile Regierung zu bilden.

"Nicht drücken"

Nach dem Scheitern der Gespräche über ein schwarz-gelb-grünes Bündnis hatte Steinmeier die Parteien aufgerufen, sich erneut um eine Regierungsbildung zu bemühen. "Wer sich in Wahlen um politische Verantwortung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält", sagte Steinmeier am Montag nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Schloss Bellevue.

Die FDP hatte die Verhandlungen am späten Montagabend platzen lassen und erklärt, man habe keine Vertrauensbasis mit den Partnern gefunden. Lindner widersprach am Montagabend in der ARD der Darstellung, man sei kurz vor einer Einigung gewesen. "Meine Perspektive war: Wir haben nach 50 Tagen noch 237 Konflikte gehabt."

Treffen mit Schulz am Mittwoch

Am Mittwoch trifft sich der Bundespräsident außerdem mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Allerdings hat die SPD-Spitze bereits ihr Nein zu einer Wiederauflage der Großen Koalition bekräftigt. In der ARD erklärte Schulz am Montagabend, er gehe von Neuwahlen aus. "Wenn jetzt die Wählerinnen und Wähler bewerten sollen, wie die Jamaika-Koalition an die Wand gefahren worden ist, dann (...) sind Neuwahlen eine Möglichkeit."

Merkel würde wieder antreten

Merkel will im Fall von Neuwahlen wieder als Kanzlerkandidatin antreten. Sie habe ihren Wählern vor der Bundestagswahl versprochen, vier weitere Jahre im Amt bleiben zu wollen. Es wäre doch jetzt "komisch", wenn sie dieses Versprechen brechen würde. In der Union wurde die Ankündigung begrüßt. JU-Chef Paul Ziemiak zeigte sich "sehr beruhigt", dass Merkel wieder antreten will. "Wir sind alle froh, dass sie auch ihrer Verantwortung nachkommt", sagte Ziemiak im ARD-Talk "Plasberg". Das sei die Stimmung im CDU-Vorstand und in der Unions-Fraktion gewesen.

Merkel ließ am Montag erkennen, dass die Frage einer Großen Koalition für sie noch nicht ganz abgehakt ist. Ob sie auf die SPD noch einmal zugehen werde, hänge von dem Ergebnis der geplanten Gespräche zwischen Steinmeier und der SPD ab. "Ich bin zu Gesprächen natürlich bereit", betonte sie.

Schulz hielt es für unverschämt, dass Merkel schon wieder ihre Kanzlerkandidatur erklärt hat. Im Interview mit dem Fernsehsender RTL sagte er am Montagabend: "Dass Frau Merkel jetzt schon wieder ins Fernsehen rennt und ihre Kandidatur verkündet, finde ich, ist auch eine Missachtung der Gespräche, die der Bundespräsident ja gerade von allen Parteien angemahnt und eingefordert hat."