Dominator, Superman, Übervater - wie soll man einen Politiker nennen, der mehr als jemals zuvor in der Geschichte Serbiens so viel Macht in seiner Hand vereint? Aleksandar Vučić ist Regierungschef, zukünftiger Staatspräsident, Koordinator aller Geheimdienste.

Er baut im Parlament auf eine satte Zweidrittelmehrheit, führt die mit Abstand größte Regierungspartei SNS, beherrscht die Medienlandschaft nach Belieben. Führende Richter und seine Kritiker bemängeln, dass Vučić auch die Justiz für seine Zwecke einspannt, was der 47-Jährige regelmäßig bestreitet.

Weder Freund noch Feind bestreiten hingegen, dass er das Maß aller politischen Dinge in diesem zentralen Balkanstaat ist. Jedenfalls trauten ihm die Wähler trotz vieler gebrochener Versprechen und der drastischen Kürzung von Renten und Gehältern im Öffentlichen Dienst zu, Serbien aus der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Krise zu führen.

Eine beliebte These lautet, nur ein starker Führer könne Serbien modernisieren. Folgerichtig betrachtet Vučić auch Russlands Präsidenten Wladimir Putin oder Ungarns Regierungschef Viktor Orban als Vorbilder. Jetzt ist der Berufspolitiker, der sich in einem Vierteljahrhundert als Spitzenpolitiker von einem extremen Nationalisten und Extremisten zu einem glühenden Europäer gewandelt haben will, auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Mehr geht einfach nicht.

Wie wird er seine Macht nutzen?

Was Vučić mit dieser absoluten Macht anfangen wird, ist weniger klar. Er hatte sich dem Wirtschaftsaufschwung verschrieben. Schon im letzten Jahr hatte er die folgenden fünf Jahre als "goldenes Zeitalter" für seine Heimat angekündigt. Doch die von ihm versprochenen höheren Löhne von 500 Euro im Monat sind noch in weiter Ferne. Auch der immer wieder angekündigte Kampf gegen die grassierende Korruption - die Bestechung von Politikern und Beamten, der Kauf von Diplomen und Doktortiteln bis zu groß angelegtem Betrug bei öffentlichen Ausschreibungen und bei der Kreditvergabe - lässt immer noch auf sich warten. Nicht ein führender Politiker oder Banker musste bisher für seine Missetaten geradestehen.

Vučić konnte seine einzigartige Karriere mit Unterstützung wichtiger ausländischer Politiker hinlegen. Russlands Putin favorisiert ihn offen, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel lud ihn in der heißen Phase des Wahlkampfs zum Abendessen nach Berlin. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder lobte demonstrativ "meinen Freund" bei dessen größter Wahlkampfveranstaltung.

Gefallene Opposition

Die zerstrittene und in die Bedeutungslosigkeit gefallene Opposition bemängelt seit Jahren, dass Brüssel und Washington Vučić innenpolitisch alle undemokratischen Schachzüge durchgehen lassen. Als "Gegengeschäft" müsse Vucic im Streit mit dem vor neun Jahren von Serbien abgefallenen und heute selbstständigen Kosovo Zugeständnisse machen.

Doch die Erfüllung dieses Teils der angeblich stillen Abmachung lässt weiter auf sich warten. Trotz jahrelanger Vermittlungsbemühungen der EU sind die Positionen Serbiens und des Kosovos weiter unvereinbar und unüberbrückbar geblieben. Serbische Sicherheitskräfte sind weiter in Nordkosovo tätig, wo die serbische Minderheit lebt. Belgrad finanziert seine Landsleute, die regelmäßig gegen die Regierung des fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovos Front machen. Die grenzüberschreitende Wasser- und Stromversorgung ist ebenso wenig geregelt wie die Integration des Kreisgerichts in der Serbenhochburg Mitrovica.

Erst im vergangenen Jänner kam es wieder zu neuen Spannungen, weil Belgrad einen neuen Eisenbahn-Triebwagen mit nationalistischen Parolen ins Kosovo schicken wollte. Vučić' Amtsvorgänger an der Staatsspitze, Tomislav Nikolić, drohte sogar mit Krieg.