Traditionell gilt das Staatsoberhaupt in Deutschland vor allem als moralische Autorität: Das Wort des Bundespräsidenten hatte in der Vergangenheit stets Gewicht. In Reden und mit anderen öffentlichen Äußerungen versuchten die Präsidenten, Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen.

Die geringe politische Macht des Staatsoberhaupts ist eine Lehre aus der Weimarer Republik (1918-33), in welcher der Reichspräsident weitgehende Kompetenzen besaß. Der letzte Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte vor der Machtergreifung Adolf Hitlers ein "Präsidialregime" eingeführt. Er ernannte schließlich 1933 Hitler zum Reichskanzler. Aus dieser Erfahrung heraus begrenzten die Mütter und Väter des Grundgesetzes bewusst die Rechte des Bundespräsidenten.

Dem Staatsoberhaupt fällt heute vor allem die Aufgabe zu, Deutschland im In- und Ausland zu repräsentieren. Der deutsche Bundespräsident macht formell aber auch den Vorschlag für die Wahl des Bundeskanzlers, ernennt und entlässt den Kanzler und die Bundesminister sowie Bundesbeamte und Bundesrichter. Zudem übt er das Begnadigungsrecht aus und zeichnet Gesetze gegen, damit sie in Kraft treten können.

Bei Regierungskrisen kommt dem deutschen Bundespräsidenten eine Reservefunktion zu. Wenn sich der Bundestag nicht mit der Mehrheit der Stimmen auf einen Kanzler einigen kann, muss der Präsident zwischen der Ernennung eines Minderheitenkanzlers oder der Auflösung des Parlaments entscheiden.

Scheitert ein Bundeskanzler mit der Vertrauensfrage, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers den Bundestag auflösen. Auf Antrag der Bundesregierung kann er auch den Gesetzgebungsnotstand erklären - die Regierung kann dann ein Gesetz mit alleiniger Zustimmung des Bundesrats (Länderkammer des Parlaments, Anm.) beschließen.