Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt eine vierte Amtszeit als Regierungschefin an. Die CDU-Vorsitzende bestätigte am Sonntag in Berlin, dass sie ihre Partei als Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr führen will. Sie habe über die Entscheidung lange nachgedacht. Sie strebt nach eigenen Worten eine volle Amtszeit bis zum Jahr 2021 an.

Merkel hatte bereits in den CDU-Gremien am Sonntag ihre Bereitschaft zu einer weiteren Kandidatur erklärt. Anfang Dezember will sie sich auf dem Parteitag in Essen erneut zur Parteichefin wählen lassen.

Deutschland und die CDU hätten ihr viel gegeben. Das wolle sie zurückgeben - "auch in einem nicht einfachen Wahlkampf".

Rund zehn Monate vor der Bundestagswahl und zwei Wochen vor dem CDU-Parteitag in Essen sei der "geeignete Zeitpunkt" für die Erklärung gekommen, sagte Merkel bei einer Pressekonferenz. Sie werde sich sowohl erneut für den Parteivorsitz der CDU als auch für die Kanzlerkandidatur bewerben - dies gehöre in ihrem Verständnis zusammen.

Merkel sagte, sie habe lange über ihre politische Zukunft nachgedacht. "Die Entscheidung für eine vierte Kandidatur ist nach elf Amtsjahren alles andere als trivial. Weder für das Land, noch für die Partei noch - ich sage es ganz bewusst in dieser Reihenfolge - für mich persönlich."

Angesichts der Krisen in Europa und der Welt sowie des wachsenden Populismus auch in Deutschland werde die Wahl wohl so schwierig wie keine zuvor seit der Wiedervereinigung, erklärte Merkel. "Wir werden es mit Anfechtungen von allen Seiten zu tun haben." Sie sei in dieser Situation bereit, erneut zu kandidieren und dem Land zu dienen.

"Aber all das was damit, ganz besonders jetzt nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika, verbunden wird, wie es auf mich ankommt, das ehrt mich zwar, aber ich empfinde es auch sehr stark als grotesk und geradezu absurd", sagte Merkel. "Kein Mensch alleine, auch nicht mit größter Erfahrung, kann die Dinge in Deutschland, Europa, in der Welt mehr oder weniger zum Guten wenden, und schon gar nicht eine Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland."

Deutsche mehrheitlich für weitere Amtszeit

Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich einer Umfrage zufolge eine weitere Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. 55 Prozent der Befragten hätten sich entsprechend geäußert, 39 Prozent würden sich allerdings nicht wünschen, dass Merkel nach der Wahl 2017 Kanzlerin bleibe, berichtete "Bild am Sonntag" vorab unter Berufung auf eine Emnid-Umfrage.

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Gegenüber August habe sich die Zustimmung für die CDU-Chefin damit deutlich verbessert. Damals seien noch 50 Prozent gegen eine weitere Amtszeit gewesen und nur 42 Prozent dafür, hieß es.

Warum Merkel die mächtigste Frau der Welt wurde

AUSDAUER: Merkel schreibt sich selbst "kamelartige Fähigkeiten" zu: Reserven anlegen, dosiert einsetzen. Krank ist sie selten - wenn doch, erfährt man es in der Regel nicht. Man muss wohl Nerven aus Stahl haben, um Kanzleramt und Parteivorsitz zu meistern. US-Präsident Barack Obama sagt, Merkel sei "hart", "tough" und "zäh".

GEDULD: Merkel kann zuhören - und abwarten. Selten reagiert sie im Affekt. Reißt ihr aber die Hutschnur, ist Feierabend. Wie bei der Entscheidung für Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine- Konflikts oder der Entlassung von Norbert Röttgen aus ihrem Kabinett.

IDEOLOGIEFREI: Merkel zeigt sich erst einmal für alles offen und denkt nicht in Grenzen - auch nicht in denen ihrer Partei. Das führt zu Konflikten mit der Schwesterpartei CSU und auch mit der CDU-Basis.

UNEITEL: Anhänger wie Gegner schätzen Merkels Bodenhaftung, ihre unaufgeregte Art. Keine Skandale, keine Eskapaden. Sie ist unprätentiös und gilt als unbestechlich. Geld interessiert sie nicht so sehr. Sie verdiene genug, hat sie einmal gesagt. Auf etwa 300 000 Euro wird das Jahresgehalt geschätzt, das die Regierungschefin für ihre Verantwortung für rund 80 Millionen Menschen bekommt. Ein Bruchteil der Summen von Firmenbossen mit einigen Tausend Beschäftigten. Ihr Lohn sei die Macht, soll Merkel einmal gesagt haben. Die Macht, dass es am Ende so gemacht wird, wie sie es will.

Schwachpunkte

KEIN REDETALENT: Merkel kann ein Publikum nur selten mitreißen. Öffentlich formuliert sie oft umständlich und wenig pointiert. Im kleinen Kreis ist sie dagegen humorvoll und selbstironisch.

KEINE NACHWUCHSFÖRDERUNG: Dass die CDU in den vergangenen Jahren nie einen anderen Namen als Merkel für den Parteivorsitz und die nächste Kanzlerkandidatur genannt hat, zeigt auch, wie wenig sich Merkel um die Förderung von Talenten bemüht hat. Konkurrenten hat sie oft kalt gestellt.

KEINE VISIONEN: Kritiker beklagen, Merkel habe keine eigenen Ziele, sondern sammele Ideen anderer und suche dann die Mehrheitsmeinung. In der Flüchtlingskrise bewies sie exakt das Gegenteil.