Im Streit um die Einschränkung der Befugnisse des polnischen Verfassungsgerichts macht die EU-Kommission weiter Druck auf Warschau. Ihr Vizepräsident Frans Timmermans forderte die nationalkonservative Regierung am Dienstag abermals auf, die Grundwerte der EU einzuhalten. Dazu gehöre die Unabhängigkeit der Justiz, sagte Timmermans vor dem Europaparlament in Straßburg.

Zwar sei die umstrittene Reform des Verfassungsgerichts mittlerweile etwas abgemildert worden, es gebe aber immer noch Probleme. So entscheide die Regierung über die Veröffentlichung der Urteile des Verfassungsgerichts - und damit über ihr Inkrafttreten. Die Exekutive lehne es nach sie vor ab, das Urteil der Verfassungsrichter gegen die Reform im Amtsblatt zu veröffentlichen. Problematisch sei auch die Zusammensetzung des Gerichts. "Der Streit ist nicht beendet". Dabei gehe es um die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz. Diese Prinzipien seien im EU-Vertrag verankert.

Der polnische Christdemokrat Janusz Lewandowski stellte sich hinter das Vorgehen der EU-Kommission. Der Wahlerfolg der erzkonservativen Regierungspartei PiS sei keine Rechtfertigung für die Reform. "Die Polen haben nicht für eine Schwächung ihres Verfassungsgerichts gestimmt", sagte er. Sie hätten auch nicht für eine "Säuberung der öffentlichen Medien gestimmt." Davon seien 190 Journalisten betroffen. "Das alles ist für die ganze Welt sichtbar, es ist weder zu verschleiern, noch zu verleugnen."

Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella, warf der polnischen Regierung vor, das ganze Volk in "Geiselhaft ihrer Angst" zu nehmen. "Warum wollen Sie das Verfassungsgericht zügeln, wovor haben Sie Angst?", fragte der Italiener.

Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberale, Grüne und Linke einigten sich im Anschluss an die Debatte auf eine gemeinsame Resolution, in der sie der EU-Kommission den Rücken stärkten. Darin werden erhebliche Bedenken gegen die neuen Medien-, Polizei- und Anti-Terrorgesetze Polens geäußert.Die Resolution soll am Mittwoch vom Parlament beschlossen werden.

Mehrere polnische Abgeordnete vom rechten Lager wiesen die Vorwürfe vehement zurück. Die Debatte sei ein "absurdes Theater", sagte Ryszard Legutko von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. In Wahrheit sei ein "Unrechtsstaatlichkeitsverfahren" gegen Polen eingeleitet worden. Die EU agiere so, als ob sie Richter, Staatsanwalt/Kläger und Vollstrecker in einer Person sei. "So eine Anhäufung von drei Funktionen in einer Hand ist typisch für die europäisch aufgeklärte Despotie", empörte sich Legutko.

"Hände weg von Polen", forderte Robert Ieaszkiewicz, Mitglied der europafeindlichen Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie". Die Polen benötigten "keine Ratschläge von diesem Parlament."

Die Brüsseler Kommission hatte Polen im Juli drei Monate Zeit gegeben, um ihre Empfehlungen umzusetzen. Diese Frist läuft Ende Oktober ab. Ohne zufriedenstellende Lösungen schließt die Kommission Sanktionen nicht aus. Diese können bis zum Entzug der Stimmrechte im Rat der EU-Staaten gehen.

Brüssel wirft der Warschauer Regierung vor, rechtswidrig die Ernennung mehrerer Verfassungsrichter rückgängig gemacht und die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt zu haben sowie seine Beschlüsse zu missachten.