Selbstvergessen sitzt Khal­thum Adem Yahija da, ihr Blick verliert sich in der Ferne. Zur Welt gekommen und aufgewachsen ist die 22-Jährige im Sudan. Doch dann kam der April 2023: Seit damals gibt es einen blutigen Machtkampf zwischen Regierungschef Abdel Fattah Al-Burhan und seinem langjährigen Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo. Khartum, die Hauptstadt des Sudan, liegt mittlerweile über weite Teile in Trümmern, Zehntausende Menschen haben bereits ihr Leben verloren und zehn Millionen Menschen sind laut UNO auf der Flucht. So auch Khal­thum: „Ich habe drei Tage nach Kriegsbeginn mein Kind zur Welt gebracht. Wenig später mussten wir fliehen.“ Jetzt hält sie sich in einem Lager im südsudanesischen Yambio auf.

Gewalt an Frauen

Sie selbst habe auf der Flucht keine Gewalt erlebt, erzählt sie, aber sie habe davon gehört. Immer wieder kommt es zu Gruppenvergewaltigungen von Frauen, etwa wenn sie Wasser holen oder Brennholz suchen. Die Betroffenen erzählen nur sehr wenig davon – aus Scham und aus Angst davor, von der Familie verstoßen zu werden. Die 22-Jährige ist mit ihrem Mann, aber ohne ihre Eltern hierhergekommen. „Ich habe wenig Hoffnung, sie bald wiederzusehen. Ich fürchte, der Krieg wird lange dauern.“

Khal­thum Adem Yahija
Khal­thum Adem Yahija © Monika Schachner

Erst Mitte August initiierte die UNO Waffenstillstandsgespräche in Genf. „Im Sudan spielt sich die größte humanitäre Krise der Welt ab“, zeigte Mathias Mogge von der Welthungerhilfe im Vorfeld auf. Mehr als 25 Millionen Menschen, die Hälfte der Bevölkerung, befinden sich in einer kritischen Ernährungslage, 755.000 sind akut vom Hungertod bedroht.

Verzweifelte Suche nach Arbeit

Das Leid hat sich mittlerweile über die ganze Region ausgebreitet: Viele Sudanesen flüchten vor Krieg, Hunger und Not in ein Nachbarland, das so wie der Südsudan oft selbst bitterarm ist. Osman Adam hat etwa in einer Moschee in der Hauptstadt Juba Unterschlupf gefunden: „Jemand hat von einem fahrenden Auto aus auf meine Schwester geschossen und sie an der Hüfte getroffen.“ Die Familie habe sich daraufhin zur Flucht entschlossen. Nun hofft er, hier in Juba Arbeit zu finden. Doch es ist ein schwieriges Unterfangen: Viele Einwohner sind selbst nur Tagelöhner und leben von der Hand in den Mund. 400 bis 500 Flüchtlinge nutzen momentan die Moschee ebenso als Unterkunft, erzählen die Gemeinde-Oberen.

Osman Adam ist froh, in der Moschee von Juba Unterschlupf gefunden zu haben
Osman Adam ist froh, in der Moschee von Juba Unterschlupf gefunden zu haben © Monika Schachner

Eine, die sich schon viele Jahre im Grenzgebiet zwischen dem Sudan und dem Südsudan aufhält, ist Schwester Elena Balatti. Als Caritas-Direktorin der Diözese Malakal ist sie im Brennpunkt der Flüchtlingskrise. Sie erzählt: „An der Grenze in Joda geht es um eine erste Versorgung mit Essen und Hygieneartikeln.“ Für viele der Flüchtlinge geht es dann weiter in das Lager Renk – das mittlerweile aus allen Nähten platzt. Der minimale Platz, der Mangel an allem und die fehlende Perspektive würden auch immer wieder zu Konflikten führen, weiß die Ordensfrau.

Die Caritas Österreich fordert entsprechend eine massive Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds von 80 auf 200 Millionen Euro. Generalsekretär Klaus Schwertner: „Mehr Not und mehr Hunger benötigen auch mehr Mittel und mehr Hilfe.“ Und das sei auch ein Gebot der Vernunft: „Wir sollten Menschen in ihren Heimatländern vor extremem Hunger bewahren, Fluchtursachen bekämpfen und Menschen eine Lebensperspektive in ihrer Heimat ermöglichen.“

Schwester Elena Balatti
Schwester Elena Balatti © Monika Schachner

Wirtschaftsfaktor Afrika

Für den Südsudan ist die Krise im Nachbarstaat aber nicht nur eine humanitäre Krise, sondern auch eine wirtschaftliche: Reich an Bodenschätzen – gerade auch an Erdöl – sind die Handelswege derzeit geschlossen, die Erlöse aus dem Verkauf, die für das Land so wichtig wären, bleiben aus.

Welches Potenzial hier zu heben ist, weiß man Tausende Kilometer weiter östlich sehr genau: Anfang September fand in Peking das Forum der China-Afrika-Kooperation (FOCAC) statt, an dem 50 afrikanische Staats- und Regierungschefs – unter anderem jene aus dem Sudan und dem Südsudan – teilnahmen. Dabei versprach die Volksrepublik, rund 45 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren in Afrika zu investieren. Dort ist man sich sehr wohl bewusst (und hat auch schon gespürt), dass diese wirtschaftliche Bindung mehr Abhängigkeit von China bedeutet. Doch es gibt auch Stimmen, die Pekings Politik ehrlicher empfinden. Denn Europa habe weder seine Rolle als ehemalige Kolonialmacht gänzlich abgestreift, noch sei es in der Lage, Konflikte wie jene in der Ukraine oder dem Gazastreifen wirklich zu befrieden, noch habe es genug Entschlusskraft, den Konflikt im Sudan und damit auch die Krise rundum zu beenden. So die Meinung.