„Neue Zürcher Zeitung“:

„Mit den Bildern von Explosionen am Himmel über Jerusalem ist dem Regime in der Welt der Israel-Feinde ein Propagandacoup gelungen. Gleichzeitig wussten aber auch die Strategen in Teheran, dass ein Großteil der Drohnen und Raketen abgefangen und der Angriff den jüdischen Staat nicht gefährden würde. (...)

Nun richten sich alle Augen auf Israel. Eine Reaktion wird kommen - nur welche? Es ist zu hoffen, dass Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sein Versprechen einhält, „besonnen“ zu reagieren. Klar ist: Ein überstürzter militärischer Gegenschlag wäre nicht im strategischen Interesse Israels. Zu groß sind die Spannungen im Nahen Osten seit dem 7. Oktober. Die Gefahr ist real, dass die Situation außer Kontrolle gerät und die ganze Region in einen hässlichen Krieg gerissen wird, in dem es nur Verlierer gibt. (...)

Israel sollte die Gunst der Stunde nutzen, um gemeinsam mit seinen Partnern am Golf, in der Region und im Westen eine langfristige Strategie aufzugleisen, um den iranischen Einfluss in der Region schrittweise zurückzudrängen - und seine eigene Position zu festigen.“

„Nepszava“ (Budapest):

„Seit dem israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 hat sich die Situation in dieser Region langsam, aber allmählich verbessert, und obwohl nur wenige arabische Staaten die Existenz Israels offiziell anerkennen, beginnen sie keinen Krieg mehr gegen dieses Land. Und das nicht nur, weil der auch für sie wichtige „große Bruder“ Amerika im Hintergrund steht, sondern auch, weil sie die Existenz Israels in gewisser Weise bereits akzeptiert haben und den Iran als Bedrohung für sich selbst sehen. Bei der Neutralisierung der iranischen Raketen und Drohnen haben Israel nicht nur die amerikanischen, britischen und französischen Luftwaffen geholfen, sondern beispielsweise auch die jordanische. Und das gibt uns Hoffnung für das Wagnis zu sagen: Es wird eine israelische Antwort geben, aber der vom Kreml unterstützte Iran wird keinen regionalen Krieg riskieren.“

„Corriere della Sera“ (Rom):

„Mit seinem direkten Angriff auf Israel hat der Iran die rote Linie überschritten. Eine kalkulierte Aktion der Pasdaran (der Revolutionsgarde), um ein Gleichgewicht zum jüdischen Staat zu schaffen. Wenn sie uns angreifen, so bekräftigte deren Befehlshaber, greifen wir sie an. (...) In Israel drängt der härteste Flügel der Regierung jetzt auf einen Gegenschlag.

Hinter den Kulissen wird viel gearbeitet. Aus den betroffenen Hauptstädten kommen Warnungen. Jetzt werden Spione, Generäle und Diplomaten bewegt. Alle wissen, dass zu viele Fallen aufgestellt sind. Man glaubt nicht, dass es vorbei ist. Befürchtet wird, dass es weitere Abrechnungen gibt.“

„Correio da Manhã“ (Lissabon):

„Als Israel vor zwei Wochen das iranische Konsulat in Damaskus bombardierte, wusste es, dass es damit die Büchse der Pandora öffnete. Wenn das Ziel darin bestand, die iranischen Generäle, die sich dort aufhielten, auszuschalten, hätte es früher oder später sicher auch anderswo Gelegenheit gegeben. Netanyahu wusste, dass der Iran reagieren musste. (...)

In Anbetracht der Umstände hielt sich der Iran beim Vergeltungsschlag sogar zurück: Die USA und die Länder der Region wurden 72 Stunden im Voraus gewarnt, und das Regime in Teheran schickte die Drohnen voraus, um Israel genügend Zeit zu geben, seine Antwort vorzubereiten. Es war eine sorgfältig kalibrierte Reaktion, um das Gesicht zu wahren und gleichzeitig eine Eskalation mit unvorhersehbaren Folgen für die Region und die Welt zu vermeiden. (...)

Für den Iran ist die Sache damit erledigt. Die internationale Gemeinschaft hat einstimmig zur Zurückhaltung aufgerufen und die USA haben bereits gewarnt, dass sie keinen israelischen Gegenangriff unterstützen werden. Es bleibt abzuwarten, ob der israelische Premierminister die Botschaft verstanden hat. Es ist immer noch möglich, das Schlimmste zu verhindern.“

„El País“ (Madrid):

„Die auffällige iranische Strategie kann als ein Zeichen der Kontrolle interpretiert werden, da der Überraschungsfaktor vermieden wurde. Aber der direkte Angriff von iranischem Gebiet auf Israel (...) stellt einen gravierenden qualitativen Sprung hin zu einem Szenario regionaler Kriegsführung dar, der um jeden Preis vermieden werden muss. (...)

Die internationale Gemeinschaft - deren wichtigste Demokratien die Aggression verurteilt haben - muss alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Spirale zu stoppen, in die Israel und der Iran geraten sind und deren Ergebnis sonst zwangsläufig ein Krieg mit globalen Auswirkungen sein wird. Die Diplomatie muss über die Kriegsrhetorik beider Nationen siegen, die erwiesenermaßen keine Lösung bietet und die lediglich mehr Angst, Zerstörung und Tod hervorruft.“

„Telegraph“ (London):

„Jetzt fordern US-Präsident Joe Biden, der britische Premierminister Rishi Sunak, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und andere Israel auf, es dabei zu belassen. Ihr Argument scheint zu sein, dass die Iraner aus Rache für einen israelischen Angriff in Damaskus Anfang des Monats handelten, bei dem zwei führende Generäle der iranischen Revolutionsgarde getötet wurden, und eine Spirale gegenseitiger Vergeltungsmaßnahmen vermieden werden sollte.

Aber hier gibt es keine Gleichwertigkeit. Die Revolutionsgarde strebt aktiv den Untergang Israels an und drängt die Hisbollah zum Eingreifen, deren erfahrene Truppen durch ihre jahrelange Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg kampferprobt sind. (...)

Mit dem Iran hätte man sich wohl schon vor Jahren befassen sollen, doch Präsident Biden hat es seit seiner Ankunft im Weißen Haus versäumt, anzuerkennen, dass Teheran der Verursacher all dieser Probleme ist. Er hat sogar versucht, mit den Ajatollahs zu verhandeln. Doch die haben kein Interesse an einer Annäherung an den Westen und haben sich stattdessen mit Russland und China verbündet.“

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

„Nach dem iranischen Angriff vom Wochenende droht Israel seinerseits mit einem Gegenschlag, vor allem weil es seinen Feinden gegenüber nicht als schwach erscheinen will. Damit droht die Gewalt im Nahen Osten weiter zuzunehmen. Die USA haben recht, wenn sie Israel zur Deeskalation auffordern. Israel könnte die Ausschaltung iranischer Raketen und Drohnen als militärischen Erfolg feiern und es dabei belassen. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass Israel auf die USA und ihre westlichen Verbündeten hören wird. Im Gaza-Krieg hat es, zumindest bisher, wenig Bereitschaft gezeigt, auf westlichen Druck zu reagieren (...).

Eine weitere Eskalation des Krieges wäre jedoch katastrophal. Für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und die israelischen Geiseln, denn ein Waffenstillstand und eine Einigung über deren Freilassung wären dann nicht mehr in Sicht. Für die Weltwirtschaft, da der Iran und seine Huthi-Verbündeten ihre Angriffe auf die westliche Schifffahrt verstärken würden. Für die gesamte Region, die in eine Spirale der Gewalt hineingezogen würde, für die schwache, instabile Länder wie der Libanon einen hohen Preis zahlen würden. Und auch für die Ukraine, weil die Aufmerksamkeit der USA von der russischen Aggression abgelenkt wird, was die Kriegsaussichten Russlands zu einem Zeitpunkt erhöht, an dem es der Ukraine bereits schlecht ergeht.“

„Wall Street Journal“ (New York):

„Der Angriff (...) ist ein offener Akt der Aggression, aber er ist nicht der Beginn dieses Konflikts. Es handelt sich um eine Eskalation des Krieges, den der Iran schon seit Monaten über seine Stellvertreter im Nahen Osten gegen Israel führt. Der Unterschied besteht nun darin, dass Irans imperialistisches Gesicht offen zutage tritt und nicht mehr im Verborgenen bleibt, was vor allem in Washington zu einem Umdenken führen sollte. (...)

Das iranische Bombardement war willkürlich und nicht auf militärische Ziele beschränkt, im Gegensatz zu Israels Präzisionsschlag, bei dem Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Die Tatsache, dass die meisten Drohnen und Raketen abgefangen wurden, ist zwar eine Erleichterung, aber keine Garantie für zukünftige Schwarmangriffe. (...)

Theorien des Weißen Hauses zum Eskalationsmanagement funktionieren nicht gegen ein Regime, das glaubt, dass ein US-Präsident eine Eskalation mehr fürchtet als der Iran. (...) Der Angriff sollte zumindest dazu führen, dass Biden und seine demokratischen Kollegen ihren Kalten Krieg mit Israel über Gaza beenden und anerkennen, dass dies in Wirklichkeit ein Krieg gegen den Iran ist. Die lautstarken Drohungen der Demokraten gegen Israel haben dem Iran wahrscheinlich mehr Selbstvertrauen gegeben, dass er ohne Konsequenzen zuschlagen könnte.“

„Rossijskaja Gaseta“ (Moskau):

„Jede Seite dieses Konflikts, der jederzeit zu einem Beinahe-Atomkrieg eskalieren könnte, konnte sich als Gewinner bezeichnen. Und ihren Gegner zum Verlierer erklären. Der Iran hat sein Ziel erreicht - er hat Israel mehrere Tage lang in Atem gehalten. In den arabischen Ländern sahen im Fernsehen alle, wie iranische Raketen auf dem Gebiet des jüdischen Staates explodierten, und dieser Medieneffekt war der wichtigste Erfolg der militärischen Operation Teherans. (...) Mit anderen Worten: Die von Teheran versprochene Vergeltung hat alle ihre erklärten militärisch-diplomatischen Ziele erreicht. (...)

Auch Israel feiert seine Erfolge. (...) Denn jeder hat das überlegene militärische Potenzial des jüdischen Staates gesehen. (...) Zudem haben die meisten westlichen Länder, die Israel zuvor öffentlich für die Operation im Gazastreifen verurteilt hatten, nun ihre Solidarität und Unterstützung für den jüdischen Staat in seinem Kampf gegen den Iran bekundet. Das bedeutet, dass eine reelle Chance besteht, dass der amerikanische Kongress der Regierung Israels die Gelder zuweist, die dort hängen geblieben sind, weil sie im selben Paket wie die Mittel für die Ukraine enthalten waren.“