Für die Kirche ist das Volksbegehren, das gegen sie und ihre angeblichen Privilegien gerichtet ist, ein Segen. Die holzschnittartigen, teils fehlerhaften Vorwürfe sind so sehr an den dünnen Haaren eines Vulgär-Atheismus herbeigezogen, dass sie der Kirche Gelegenheit geben, sich aus ihrer Selbstbezogenheit zu lösen und ihr Wirken für die Gesellschaft konturierter ins Bewusstsein zu rufen. Das tun die christlichen Kirchen zu selten. Ihr Marketing ist matt.

Es ist richtig, dass der Staat die katholische Kirche rechtlich und finanziell stützt. Er anerkennt damit ihren sozialen und kulturellen Wert in der Gesellschaft. Weil der Staat konfessionell neutral ist, spannt sich der Schutz über alle anerkannten Religionen. Wer also staatlich bezahlte katholische Religionslehrer ins Visier nimmt, trifft damit auch die öffentlich bezahlten anderer Konfessionen. Ähnliches gilt für das Personal konfessioneller Kindergärten oder Schulen. Ist diese staatliche Beihilfe ein Privileg, Rest eines austrofaschistischen Gottesstaates, wie es im Volksbegehren selbstvergessen heißt? Ein Grundwissen über Religion gehört zum Bildungskanon; wer das bejaht, wird auch den öffentlichen Auftrag bejahen, den Religionslehrer damit erfüllen. Dass der Unterricht ein Hort repressiver Indoktrination sei, widerlegt die Erfahrung. Eher zweifelt man, wenn man mit Teenagern spricht, an der Substanz der Vermittlung religiös-kirchlichen Basiswissens. Aber das gilt auch fürs Elternhaus.

Staat und Kirchen leben nicht in Beziehungslosigkeit, aber sie bilden keine düstere Macht-Synthese mehr. Die Trennung funktioniert und steht außer Streit: die Grundsteuerbefreiung für das Marterl oder die Kapelle hebelt sie ebenso wenig aus wie der Glockenklang. Die Kirche hat ihr eigenes kanonisches Recht, aber es stellt sich nicht gegen das staatliche, täte sie es, verlöre sie die Berechtigung als staatlich anerkannte Religion. Das Kirchenrecht gewährt dem angeklagten Geistlichen aus Kremsmünster kein Asyl, und die Opferschutzkommission ist kein Substitut für die Justiz. Das Dach bleibt der demokratische Rechtsstaat.

Der Staat gibt, aber die Kirchen geben zurück, vielfältig und unaufdringlich. Kein Ordensspital, keine Telefonseelsorge, keine Stiftsbibliothek, kein Pfarrkindergarten und kein Vinzidorf verknüpfen ihre Dienste mit einer konfessionellen Passkontrolle. Kirchen sind nicht sakrosankt, aber ihre Schwächung würde die Gesellschaft ärmer und nicht freier machen. Das Volksbegehren unterschlägt die Verdienste. Das verleiht ihm den Geruch einer grobschlächtigen, antiklerikalen Kampagne und macht es wenig begehrenswert.

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