Der Betreiber des Würstelstandes ist wenig begeistert. „Wir versuchen, was zu verkaufen und die verteilen das Essen gratis“. Unter einer pinken Luftballonwolke hat sich vor der barocken Kollegienkirche in der Salzburger Innenstadt bereits eine Gruppe von Neos-Aktivistinnen und Aktivisten versammelt. In Kürze wird Parteichefin Beate Meinl-Reisinger erwartet, sie will potenzielle Wähler zum Austausch bei Laugenbrezeln einladen. Auf dem kleinen Markt vor der Kirche, wo neben Brot, Gemüse und Blumen auch Snacks und Souvenirs angeboten werden, trotzen vor allem Salzburg-Urlauber der gleißenden Spätsommer-Hitze. Den Wahlkämpfern schenken sie wenig Beachtung. „Das ist eine politische Partei. Wir haben eine Parlamentswahl“, erklärt eine Fremdenführerin ihrer Reisegruppe auf Englisch.

Die pinken Wahlkampfhelfer werden herzlich begrüßt.
Die pinken Wahlkampfhelfer werden herzlich begrüßt. © Wolfgang Lienbacher

Mit Verspätung trifft Meinl-Reisinger ein, begrüßt die in „Reformkraft ja bitte“-T-Shirts gekleidete Gruppe herzlich und nimmt die erste Kiste der vorbestellten Laugenbrezeln entgegen  – mit dem Brezelstand „Reisinger“ verbindet sie kein Verwandtschaftsverhältnis, stellt sie im Gespräch mit dem Standbetreiber fest.

Video: Die Körpersprache von Meinl-Reisinger

Schwierige Suche nach Einheimischen

Verteilt werden soll das Gebäck idealerweise an Menschen, die bei der Nationalratswahl auch tatsächlich wahlberechtigt sind – in einer Stadt, die 2022 2,6 Millionen Nächtigungen verzeichnete, keine einfache Aufgabe. Eine amerikanische Familie vor der Kollegienkirche interessiert sich trotzdem für die Fremde mit der Jause, es ergibt sich ein kurzes Gespräch. Eine portugiesische Touristin stellt fest, dass die Liberalen in ihrem Land politisch weiter rechts stehen als die Neos. Einigen Österreicherinnen und Österreichern begegnet Meinl-Reisinger dann doch: Eine junge Frau freut sich über ein Selfie, ein Bauarbeiter klettert extra von einem Gerüst, um Brezeln für sich und seine Kollegen entgegenzunehmen. „Schau, da gibt’s Parteibrezeln“, ruft ein österreichischer Motorradreisender seinem Begleiter zu.

Für „Parteibrezeln“ klettert ein Bauarbeiter von einem Gerüst.
Für „Parteibrezeln“ klettert ein Bauarbeiter von einem Gerüst. © Wolfgang Lienbacher

Trotz der hohen Touristendichte ist Salzburg ein interessantes Bundesland für die Neos. 2018 gelang den Salzburger Pinken erstmals der Einzug in eine Landesregierung, fünf Jahre später flogen sie aus dem Landtag. Für die Nationalratswahl zeigen sich die Wahlkämpfer wieder hoffnungsfroh, bei der EU-Wahl habe man schließlich auch Zugewinne erzielt.

Neos fordern Schuldenbremse in der Verfassung

Die Brezeln gehen weg wie die warmen Semmeln, längere Gespräche zwischen Passanten und Parteichefin ergeben sich dabei nicht. Negative Reaktionen bleiben allerdings ebenso aus: „Danke, wir haben gerade gegessen“, ist das höchste Maß an Ablehnung, das der pinken Frontfrau entgegenschlägt. Meinl-Reisingers pink gekleidetes Gefolge ist bemüht, auch Flyer unter die Leute zu bringen. 20.000 zusätzliche Lehrkräfte, eine „Schuldenbremse in der Verfassung“ und eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast auf 40 Prozent sind einige der Forderungen, die zur Laugenbrezel gereicht werden.

Konfrontativer zeigt sich eine Frau nahe dem Salzburger Dom. „Mit einem blauen Mascherl“ würde sie die Brezel nehmen, erklärt sie Meinl-Reisinger. „Das rosa Mascherl mag ich nicht.“ Sie sei FPÖ-Stammwählerin, doch die Neos könnten sich ja auch „mit uns arrangieren“. Meinl-Reisinger ist nicht überzeugt. „So dringend müssen wir auch nicht regieren.“ Man verabschiedet sich freundlich, die Frau wünscht Meinl-Reisinger „trotzdem viel Spaß“ beim Brezelverteilen.

Meinl-Reisinger schließt Koalition mit FPÖ aus

 Eine Koalition mit der FPÖ schließe sie aus, betont Meinl-Reisinger später gegenüber der Kleinen Zeitung. Ansonsten stellt die derzeit kleinste Parlamentspartei an mögliche künftige Koalitionspartner zwei Anforderungen: Keine neuen Steuern – „der Staat hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem“ – und die Bereitschaft zu umfangreichen Reformen im Bildungssystem. Dass die Salzburger über all das kaum diskutieren wollen, sieht Meinl-Reisinger gelassen. „Die Menschen wissen, wofür wir stehen.“