Mehrere deutsche Medien haben am Mittwoch berichtet, dass die ungarischen Behörden bereits 13 Tage vor dem Erstickungstod von 71 Flüchtlingen am 26. August 2015 angefangen haben, die Gespräche der Schlepper abzuhören. Jedoch wurden die Telefonate nicht rechtzeitig übersetzt und konnten so nicht ausgewertet werden, schrieb die "Süddeutsche Zeitung" auf ihrem Online-Portal.

Die gemeinsam mit NDR und WDR durchgeführten Recherchen ergaben, dass die Behörden auch bei der tödlichen Fahrt die Aufnahmegeräte mitlaufen ließen. Auch hier kam es zu keinem Einschreiten, nachdem die Übersetzungen erst später vorgelegen sind. Insgesamt konnte man Hunderte Seiten Gesprächsprotokolle in den Ermittlungsakten einsehen, hieß es. Zu der Todesfahrt am 26. August heißt es etwa zum Fahrer, nachdem der die Probleme im Lkw schilderte: "Sag ihm, er soll nur weiterfahren. Und falls sie sterben sollten, dann soll er sie in Deutschland im Wald abladen."

Prozess beginnt am 21. Juni

Letztendlich wurden die Leichen von 71 Flüchtlingen in einem an der Ostautobahn (A4) bei Parndorf abgestellten Kühl-Lkw entdeckt. Dass die Todesfahrt zu verhindern gewissen wäre, wies der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft im ungarischen Kecskemet, Gabor Schmidt, zurück, hieß es in den Medienberichten weiter. Die späteren Auswertungen ergaben jedenfalls zahlreiche weitere Fahrten, bei denen die Situation für die geschleppten Flüchtlinge ebenfalls bereits sehr dramatische, wenn auch nicht tödliche Ausmaße angenommen hatte.

Der Prozess gegen elf mutmaßliche Schlepper, die für den Erstickungstod der Flüchtlinge verantwortlich sein sollen, beginnt am 21. Juni in Ungarn. Den Beschuldigten wird qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ein Urteil soll bis Ende des Jahres gefällt werden.