Im Fall des vor zwei Jahren tot in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt gefundenen kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev wird die Staatsanwaltschaft (StA) Wien nicht weiter ermitteln. Das gab die Anklagebehörde am Dienstag bekannt. Aus einem Ergänzungsgutachten ergaben sich weiterhin keine Hinweise auf Fremdverschulden. Aliyevs Anwälte wollen das Gutachten noch einmal prüfen.

Der von den Rechtsvertretern Manfred und Klaus Ainedter beigezogene deutsche Gerichtsmediziner Bernd Brinkmann hatte im Dezember massiv angezweifelt, dass die Todesursache eindeutig geklärt sei. Er kam zu dem Schluss, dass kein Suizid vorliegt, sondern ein Tötungsdelikt. "Die in einem Privatgutachten getroffene Schlussfolgerung, wonach DDr. Rakhat Aliyev durch fremde Hand getötet worden sei, kann nach ausführlicher Erörterung einschlägiger Fachliteratur aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht bestätigt werden", teilte die StA nun am Dienstag aufgrund der Ergebnisse eines Ergänzungsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin St. Gallen mit.

Brinkmann hatte in dem Privatgutachten ausgeschlossen, dass sich Aliyev mit Mullbinden an einem Kleiderhaken erhängt hatte. Der Gerichtsmediziner schloss das aus punktförmigen Blutungen unterhalb der Strangmarke. Vielmehr soll Aliyev laut Brinkmann mittels Kompression des Brustkorbs bei gleichzeitigem Verschluss von Mund und Nase (sogenanntes "Burking") zu Tode gebracht worden sein. Diese Flecken sind laut dem Ergänzungsgutachten der St. Gallener Rechtsmedizin jedoch Totenflecken, sagte StA-Sprecherin Nina Bussek zur APA.

Brinkmann hatte außerdem ausgeführt, dass Stauungsblutungen oberhalb der Strangmarke bei einem Suizid in der beschriebenen Form mit Mullbinden nicht möglich gewesen seien. Der Schweizer Experte Roland Hausmann habe das anhand der einschlägigen Fachliteratur eindeutig widerlegt, betonte Bussek.

Insgesamt umfasst das Ergänzungsgutachten 30 Seiten, in denen sich Hausmann mit jedem einzelnen von Brinkmann angeführten Punkt auseinandersetzt. Für diese Expertise wurde auch die Fotodokumentation vom Auffindungsort der Leiche und der Leichenöffnung eingearbeitet, die Hausmann beim ursprünglichen Gutachten nicht zur Verfügung gestanden war, erläuterte die Sprecherin der Anklagebehörde.

Bussek sagte, dass sich auch für eine körperliche Auseinandersetzung oder eine sonstige gewaltsame Einwirkung vor dem Tod keine Anhaltspunkte ergeben hätten. Zusammenfassend sei der Sachverständige zur Schlussfolgerung gelangt, dass sich "sämtliche Befunde widerspruchsfrei einem suizidalen Erhängen zuordnen lassen und sich somit im Vergleich zum Vorgutachten keine Änderungen in der Einschätzung einer Fremdbeteiligung am Tod des Genannten" ergeben.

Die Anwälte Manfred und Klaus Ainedter haben das Ergänzungsgutachten am Dienstag an Brinkmann übermittelt. Dieses werde "einer eingehenden Prüfung unterzogen", sagte Klaus Ainedter am Nachmittag zur APA. Es könnten sich aus Sachverständigensicht weitere Fragen auftun, die dann wieder an die StA übermittelt würden. Das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens "überrascht nicht", betonte der Rechtsvertreter. Die Ermittlungen seien jedoch nicht eingestellt, sondern durch einen Fortführungsantrag seiner Kanzlei "wieder eröffnet" worden. Über diesen Antrag müsse noch ein Gericht entscheiden.

Aliyev - früher kasachischer Botschafter in Wien, gegen den in der Bundeshauptstadt Anklage wegen Doppelmordes an zwei kasachischen Bankern erhoben wurde - war am 24. Februar 2015 tot in seiner Einzelzelle aufgefunden worden. Die Justiz ging von Selbstmord aus, nachdem sowohl der Wiener Gerichtsmediziner Daniele Risser in seinem Obduktionsbefund als auch das mit der Gutachtens-Erstellung beauftragte Rechtsmedizinische Institut in St. Gallen keine Hinweise auf Fremdverschulden fanden.