Morgen gibt es den ersten Höhepunkt im Streit um die Gesundheitsreform: In Wien, Kärnten und Burgenland bleiben die Ordinationen geschlossen, auch in allen anderen Bundesländern soll es laut Ärztekammer "Aktionen" geben. Auch medial machen die beiden Fronten mobil: Gestern lud der Hauptverband der Sozialversicherungsträger zu einem Hintergrundgepräch, heute präsentierte die Ärztekammer eine Umfrage, die ihre Position stützen soll. Das sind die Positionen der beiden Seiten.
Die Ärztekammer: "Es war immer unsere Meinung, dass Österreich ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem hat und dass es überhaupt keine Notwendigkeit gibt, ein neues System zu etablieren", wandte sich Kammerchef Artur Wechselberger einmal mehr gegen die geplanten Primärversorgungszentren (PHC). Die Kammer sei gegen ein "staatlich oktroyiertes System" in der Versorgung außerhalb der Spitäler. Wechselberger sieht mit den jüngsten 15a-Vereinbarungen die Ärztevertreter entmachtet, während die Kassen auf Augenhöhe mit Bund und Ländern gehoben wurden. "Wir brauchen die Stimme der Ärztekammer in der Planung, wir brauchen nicht die Dominanz der Sozialversicherungen in diesem Bereich", kritisierte er.
Der Hauptverband der Sozialversicherungen: Die Befürchtung der Ärztekammer, dass mit der neuen Primärversorgung das Ende der Einzelordinationen und der Einzug gewinnorientierter Unternehmen in die Zentren drohe, weist der Hauptverband entschieden zurück. Auch die derzeitigen Vertragsstellen und der Stellenplan würden nicht infrage gestellt.
Es gebe zukünftig ein Vertragsvergabeverfahren, in dem sich auch Gruppenpraxen um PHC-Zentren bewerben können. Und Wurzer geht davon aus, dass sich diese gegen Kapitalgesellschaften durchaus durchsetzen können, weil sie bessere Voraussetzungen haben.
Ärzteprotest gegen Systemänderung: Umfrage unter Patienten
Der Hauptverbands-Manager Bernhard Wurzer betonte, dass Ärzte mit bestehenden Kassenvertrag als erste gefragt werden, ob sie eine Primärversorgungseinrichtung, die auch als Netzwerk organisiert sein kann, übernehmen wollen. Erst wenn diese ablehnen, würden auch andere gefragt.
Die Ärztekammer: Die Kassen seien jene, "die in den letzten 20 Jahren jeden Fortschritt im medizinischen Bereich gebremst haben". Sie hätten kein Interesse an mehr Versorgung im niedergelassenen Bereich.
Zur Unterstützung ihrer Argumente ließ die Kammer eine Umfrage durchführen. Laut Studienautor Peter Hajek (Public Opinion Strategies) haben sich dabei 81 Prozent der 1000 Befragten zufrieden mit dem Gesundheitssystem gezeigt. Bereits 51 Prozent sahen aber eine Entwicklung in die falsche Richtung, nur 34 Prozent das Gegenteil. 69 Prozent sorgten sich wegen zukünftiger Einsparungen und Leistungskürzungen.
Der Hauptverband der Sozialversicherungen: Wenig beeindruckt ist Manager Wurzer von der Drohung der Ärztekammer, als mögliche nächste Eskalationsstufe die Kassenverträge zu kündigen, was Oberösterreich und die Steiermark bereits angekündigt haben. Er verwies darauf, dass eine Kündigung des Gesamtvertrages erst in etwa eineinhalb Jahren wirksam werden würde, weil die Kündigung frühestens im Juli 2017 eingebracht werden könnte und dann die Schiedskommission lange Fristen habe.