Es ist einer der größten und spektakulärsten Kunstdiebstähle der vergangenen Jahrzehnte: Sieben Gemälde von Großmeistern wie Pablo Picasso, Henri Matisse und Claude Monet wurden in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Rotterdamer Kunsthalle gestohlen. Über den Gesamtwert der Kunstwerke gibt es noch keine Angaben.

Die Polizei tappt - wie immer bei diesen präzise ausgetüftelten Kunstdiebstählen - völlig im Dunkeln. Bekannt ist nur, dass die Kunstdiebe Montagnacht, zwischen drei und vier Uhr, in das Rotterdamer Museum eindrangen. Die Sicherheitsvorkehrungen entsprachen offenbar nicht dem Wert der Gemälde, denn es befand sich kein Wachpersonal im Haus. Die Diebe hatten sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, die Sicherheitstechnik auszuschalten, denn bei der Polizei ging das Signal der Alarmanlage ein. Doch bis die Polizei eintraf, waren die Täter mit ihrer Beute bereits über alle Berge.

Ein Beutezug wie dieser erstaunt den Experten für Kunstdiebstahl Stefan Koldehoff freilich nicht. Bei den Recherchen zu seinem Buch "Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt" ist der Deutsche immer wieder auf das gleiche Phänomen gestoßen: "Die Sicherheitssysteme in den europäischen Museen sind schlichtweg miserabel", erklärte Koldehoff der Kleinen Zeitung schon einmal bei einem ähnlichen Anlass. "Die Alarmanlagen sind schlecht. Die Museen haben kein Geld, um Kunst anzukaufen, und schon gar keines für die Sicherheit ihrer Schätze", sagte er. Als langjähriger stellvertretender Chefredakteur des Kunstmagazins "Art" kennt er die Szene gut.

Kunstdiebstahl zählt nach Angaben von Interpol neben Drogen- und Menschenhandel zu den einträglichsten kriminellen Delikten. Eine Schätzung des FBI beziffert den jährlichen Schaden auf mehrere Milliarden Dollar. Tendenz steigend.

Nicht wie im Film

Doch die Täter sind selten so smart wie Gentleman-Dieb Thomas Crown in den Kinofilmen mit Steve McQueen und Faye Dunaway (1967) beziehungsweise Pierce Brosnan und Rene Russo (1999). Koldehoff fand heraus, "dass bis zum Anfang des Jahrtausends Banden aus Osteuropa und dem Balkan die Szene dominierten. Ehemalige Soldaten ohne Sold, darauf gedrillt, unbemerkt in Häuser einzusteigen. Das hat mir der langjährige Chefdetektiv für Kunstdiebstahl bei Scotland Yard gesagt".

Die aktuellen geraubten Gemälde gehören zur niederländischen Triton Foundation für moderne Kunst, bestätigte eine Sprecherin des Museums. Aus dieser niederländischen Privatsammlung zeigt die Kunsthalle derzeit 150 Werke. Die Jubiläumsausstellung zum 20-jährigen Bestehen des Museums war erst am 7. Oktober eröffnet worden.

Die Kunstwelt reagiert schwer geschockt. "Die Bilder haben einen unschätzbaren Wert", sagte der Gründer und frühere Direktor der Kunsthalle, Wim van Krimpen, im niederländischen Fernsehen. Experten halten die gestohlenen Gemälde übrigens für unverkäuflich. "Damit will niemand etwas zu tun haben", erklärte der Direktor des Auktionshauses Christie's in Amsterdam, Jop Ubbens. "Am wahrscheinlichsten ist, dass sie gestohlen wurden, um Lösegeld zu bekommen", erklärte er, denn Kunstdiebe würden vermehrt auf Artnapping setzen: Der Eigentümer oder die Versicherung wird mit Lösegeldzahlung erpresst.

Im schlimmsten Fall sind Dieb respektive Auftraggeber Kunstliebhaber und hängen sich "ihren" Picasso an die Wand: Fast 80 Prozent der Fälle werden nie aufgeklärt, viele Kunstwerke scheinen für immer verloren. Von Carl Spitzwegs Meisterwerk "Armer Poet", 1989 in Berlin gestohlen, fehlt nach wie vor jede Spur.