Öko-Bewegung. Der Grundstein für die Trasse wurde bereits Anfang der 70er-Jahre mit der fast schon in Vergessenheit geratenen S 8 gelegt. Diese Schnellstraße hätte auf vier Spuren von Liezen nach Mandling zur steirischen Landesgrenze führen sollen. Anfang der 80er-Jahre rückte das Projekt in greifbare Nähe, rief aber umgehend den Widerstand der zu diesem Zeitpunkt gerade erblühenden Öko-Bewegung auf den Plan.
Abwehrkampf. Nach langen zähen Verhandlungen, massiven Protesten und emotionsgeladenen Demonstrationen blieb von der geplanten Schnellstraße als Ersatz für die rund 60 Kilometer lange Bundesstraße schließlich nur noch der rudimentäre Teil zwischen Liezen und Trautenfels, genannt Ennsnahe Trasse, als zweispurig geführte Bundesstraße übrig, deren Bau 1990 vom damaligen Verkehrsminister Wolfgang Schüssel verordnet wurde. Als ein Jahr später zwecks Errichtung der Sallabergerbrücke die Bagger anrollten und die ersten Enteignungen durchgeführt wurden, eskalierte die Situation im Tal. Aus latenten Spannungen innerhalb der Bevölkerung entwickelte sich ein veritabler Glaubenskrieg: Die Bauern waren in ihrer Haltung gespalten, Familien entzweiten sich, Freundschaften gingen in Brüche, Nachbarn grüßten einander nicht mehr. Sogar zu kulturellen Ergüssen regte der Konflikt an. Mit dem Refrain "Wenn wir uns trauen, werden sie nicht bauen" wurde ein Widerstandslied geträllert.
An den Pranger gestellt. Die Mitglieder der neu gegründeten Vereine NETT (Nein zur Ennsnahen Trasse) und das Bürgerforum pro Trasse standen sich unerbittlich gegenüber, an persönlichen Untergriffen und Diffamierungen wurde nicht gespart. Ein Tiefpunkt der Auseinandersetzung, an den sich heute noch viele Ennstaler erinnern, war die Errichtung eines Prangers, auf dem Fotos der Straßengegner angenagelt wurden. Straßensperren und Protestkundgebungen von Gegnern und Befürwortern wurden in dieser Zeit mehr zur Regel als zur Ausnahme.
Bestandsausbau. 1992 errang die Widerstandsbewegung einen Etappensieg: Aufgrund der fehlenden wasserrechtlichen Bewilligung musste das Ministerium den Baustopp verfügen. Ein Jahr später erfolgte aber der neuerliche Versuch zur Durchsetzung der Trasse. Am 30. März 1993 fand der Spatenstich für die Wanne Stainach statt. Anders, als bei derartigen Anlässen üblich, erscholl aber kein Fanfarenklang, sondern wütendes Protestgeheul. Wenige Tage später begann die erste von drei Besetzungen der neuen Baustelle. Die an derartige Anblicke nicht gewohnten Ennstaler erlebten heftigste Auseinandersetzungen zwischen der Staatsmacht und den Demonstranten, die in schweren Zusammenstößen zwischen Gendarmerie und Besetzern und der Zwangsräumung gipfelten. Nach einem Sonderlandtag im Sommer kamen die steirischen Landespolitiker mit der damaligen Verkehrslandesrätin Waltraud Klasnic zu der Überzeugung, dass die Rechtskonformität der "Ennsnahen Trasse" zu prüfen sei. Außerdem wurde eine Alternativplanung für einen Bestandsausbau in Auftrag gegeben.
König der Vögel. Die naturschutz- und wasserrechtlichen Bescheide bereiteten den Beamten der Fachabteilungen von Anfang an einiges Kopfzerbrechen, zu dem auch der zu Berühmtheit gelangte gefiederte Freund Wachtelkönig sein Scherflein beigetragen hat. Eine neue Dimension bekam die Rechtsunsicherheit durch den EU-Beitritt und die Ausweisung von Natura-2000-Gebieten. Die Naturschutzverfahren mit der EU werden laut Aussage von Landesrat Gerhard Hirschmann "erst gegen 2010 zum Abschluss kommen". Ein Grund für die lange Dauer ist die geplante Umsiedelung des Wachtelkönigs von seinem momentanen Brutgebiet, den Rosswiesen, auf Ersatzflächen. Ausständig ist außerdem der Wasserrechtsbescheid, der vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Formalfehlern aufgehoben wurde.