Eigentlich müsste es Blaufärberei heißen. Denn die Stoffe werden nicht blau bedruckt, sondern blau gefärbt. Und auch nicht mit irgendeinem Blau, sondern mit Indigo. Es ist ein Farbstoff, der aus einer Pflanze hergestellt wird und einst, wie der Name schon sagt, vorwiegend aus Indien kam. Früher hat man für den Blaudruck in heimischen Gefilden den Färberwaid verwendet, der zwar gelb blüht, dessen Blätter aber zu einem schönen Blau führen. Auch vor dem Haus der Koós in Steinberg/Dörfl gedeiht er gut im pannonischen Klima.

Drucken, Färben, Waschen. Darum geht‘s bei „Blaudruck Koó“ im Grunde. Der Akzent auf dem o zeugt noch davon, dass das Burgenland bis zur Jahreswende 1921/22 noch zu Ungarn gehörte.

Die weißen Muster auf dem Blau entstehen durch das Aussparen der Farbe. Mit uralten Modeln aus Birnen- oder Lindenholz, aus denen Messingstifte ragen, die das jeweilige Muster ausmachen, wird der sogenannte Papp auf den Stoff aufgetragen. Der Papp, das ist eine Mischung aus Gummiarabikum, einem Harz, das aus der afrikanischen Akazie gewonnen wird, Tonerde und noch ein paar Zutaten. Die Mischung wird in Wasser eingelegt und verrührt. Der Papp wird erst nach dem Färben wieder ausgewaschen, ehe der Stoff zum Trocknen auf die Wäscheleine im Freien kommt. Das harzige Gemisch verhindert das Eindringen der Farbe, wenn der Stoff immer wieder in die Küpe getaucht wird, wie hier die vier Meter tiefen Farbbottiche aus Beton genannt werden.

Seit drei Generationen gibt es den Blaudruck-Betrieb in Steinberg/Dörfl, einer kleinen Gemeinde nah bei der Friedensburg Schlaining. Im Hof zwischen Werkstatt und Shop steht ein edler alter elfenbeinfarbener Volvo: „Mit dem war ich lange unterwegs, heute fährt er leider nicht mehr“, erklärt uns Joseph Koó.

Miriam mit einem Holzmodel, mit dem der Papp auf den Stoff kommt.
Miriam mit einem Holzmodel, mit dem der Papp auf den Stoff kommt. © Jürgen Fuchs

Nach dem Tod des Vaters Joseph, übernahm er vor rund 15 Jahren kurzerhand den Betrieb, den er seitdem mit seiner Frau Miriam führt, die eigentlich Bildende Künstlerin ist. „Ich hatte ein Grafikbüro in Wien. Die Entscheidung, zurück in den Familienbetrieb zu gehen, habe ich noch keinen Tag bereut“, sagt er uns beim Rundgang durch seine schöne Werkstatt, und wischt dabei seine Hände, die vom Indigo ein bisschen blau sind, in sein Fiata, wie die Schürzen hier genannt werden. „Ich habe die Arbeit von klein auf mitbekommen, habe die Abläufe ganz natürlich erlebt. Das war hilfreich“, erklärt er uns. Die Weitergabe von Wissen verläuft hier ganz simpel: Man arbeitet einfach mit. Sohn Jan Joseph, der bald 15 wird, hilft in den Ferien mit.

Die Werkstatt der Koós, in der es nach Holz, nach Eisen und eigenartigerweise auch nach Schinkenspeck riecht, schaut fast noch so aus wie 1921, als Josephs Großvater Josef hier mit seinem Blaudruck begann.

Die Wände der Werkstatt sind lichtblau, die Fensterrahmen und Balken mittelblau gestrichen, in den vier Meter tiefen Farbbottichen schwimmt die gelb-grün-blaue Flüssigkeit schon seit vielen Jahren und oft jahrzehntelang, ohne zu verderben, bestehend aus Kalk, pflanzlichem Indigo und Wasser. „Immer wieder wird umgerührt und Indigo dazugerührt, viel mehr braucht‘s nicht“, erklärt Joseph Koó. Vor 100 Jahren gab es noch viele Blaufärber im Burgenland. Blaudruckstoffe waren im Alltag und bei der Arbeit gang und gäbe. Sie hielten viel aus und auch der Schmutz darauf machte sich nicht so bemerkbar. Heute sind der Betrieb der Familie Koó und ein weiterer Familienbetrieb im Mühlviertel die Letzten ihrer Art. 2010 wurde der Original Burgenländische Indigo-Handblaudruck in das Unesco-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen, seit 2018 gehört das Handwerk auch zum immateriellen Weltkulturerbe.

Die Spezialität von Blaudruck Koó: fester Baumwollstoff, beidseitig bedruckt. Beim Doppeldruck hat die Vorderseite ein anderes Muster als die Rückseite. „Das hatte praktische Gründe: Man hat die Schürze einfach umgedreht, wenn sie schmutzig war. Es wurde ja nicht oft gewaschen“, erklärt Koó.

Dafür kommt die mehr als 100 Jahre alte Walzendruckmaschine - „schon damals vom Großvater gebraucht gekauft“ - zum Einsatz. „Funktioniert immer noch. Einst wurde man ja gelobt, wenn man Maschinen gebaut hat, die ein Leben lang hielten. Heute gibt‘s Lob, wenn man Sollbruchstellen fabriziert“, sagt Joseph Koó, nicht ganz frei von Zynismus.

Im Shop
Im Shop © Manuela Tschida-Swoboda

Beim Doppeldruck wird der Baumwoll- oder Leinenstoff in die Walzen eingeklemmt, da müssen zwischendurch auch mehrere Leute zusammengreifen, damit der Papp auch wirklich auf den Stoff kommt. In dieser Werkstatt muss angepackt werden: „Noch geht‘s“, sagt der drahtige 64-Jährige Joseph Koó. „Blaudruck ist leicht“, sagt er und zwinkert, „wenn man weiß, wie es geht.“

Mitunter ist es aber auch echte Knochenarbeit, die Joseph Koó hier machen muss: Er rührt mit einem schweren Stock in der Küpe um, die Flüssigkeit wirkt eher wassergrün als meeresblau. Er hängt die Stoffbahnen auf kleine Messinghaken in einen Metallreifen und lässt sie mit Ketten via Kurbel hinunter und taucht den Stoff zehn Minuten in die Küpe. Dann kommt der Stoff wieder heraus - und ist grün. Erst durch die Oxidation wird der Stoff blau.

Die mehrmaligen Tauchgänge, acht bis zehnmal und jeweils rund zehn Minuten lang, werden mit Kreidestrichen auf der Fensterbank notiert. Das große Geheimnis beim Blaudruck ist nicht zuletzt: Zeit. Im Hof befindet sich zum Schwemmen der gefärbten Stoffe ein großer Steintrog: „Das war in meiner Kindheit mein Swimming Pool“, erwähnt Koó.

„Unsere Arbeit dauert immer so lange, bis sie fertig ist“, sagt der Blaufärber verschmitzt und setzt nach „und wir haben noch lange vor, das zu machen.“

Blau
Blau © Manuela Tschida-Swoboda
Die Geräte sind mehr als 100 Jahre alt
Die Geräte sind mehr als 100 Jahre alt © Manuela Tschida-Swoboda
Der weiße Stoff kommt in die Küpe
Der weiße Stoff kommt in die Küpe © Manuela Tschida-Swoboda
Mehrmals wird der Stoff eingetaucht
Mehrmals wird der Stoff eingetaucht © Robert Kalb
Joseph und Miriam Koó vor ihrer Werkstatt
Joseph und Miriam Koó vor ihrer Werkstatt © Manuela Tschida-Swoboda
Eine Decke
Eine Decke © Jürgen Fuchs
Polsterüberzüge
Polsterüberzüge © Jürgen Fuchs
Stoffmuster
Stoffmuster © Jürgen Fuchs
Kooperation mit dem Schuhmacher-Duo Rosa Mosa
Kooperation mit dem Schuhmacher-Duo Rosa Mosa © Jürgen Fuchs
Auch für Modemacherin Susanne Bisovsky wurden Stoffe bedruckt
Auch für Modemacherin Susanne Bisovsky wurden Stoffe bedruckt © Bernd Preiml/Susanne Bisovsky
Produkte von Koó
Produkte von Koó © Jürgen Fuchs