Sehr geehrte Frau Dr. Bragagna! Ich befinde mich gerade in einem tiefen schwarzen Loch. Ich bin 29, stehe mitten im Leben, habe einen Beruf, den ich liebe, und auch einen liebevollen Lebensgefährten. Alles würde passen, wenn nicht diese entsetzliche Erkrankung immer mehr Besitz von mir ergreifen würde. Ich leide seit einigen Jahren an multipler Sklerose (MS). Bisher war die Erkrankung stabil und die Umgebung hat nichts gemerkt. Seit meinem letzten Schub habe ich aber Probleme, meine Blase zu entleeren. Beim Sex verliere ich öfters Harn. Das ist mir so peinlich, dass ich mich körperlich von meinem Partner zurückgezogen habe. Ich kann mich einfach nicht von ihm berühren lassen. Was soll ich nur tun?
ELIA BRAGAGNA ANTWORTET: Wie schade, dass Sie das noch nicht mit Ihrem Neurologen besprochen haben. Dieses Problem wäre sehr leicht zu beheben. Eventuell käme für Sie ein Einmalkatheter vor dem Intimsein infrage. Ihr Arzt könnte Ihnen einen passenden empfehlen. Dadurch hätten Sie einige Stunden gewonnen, in denen Sie ohne Angst vor Harnverlust Sinnlichkeit genießen könnten.
Das alleine scheint es aber nicht zu sein. Die Veränderungen, die diese Erkrankung mit sich bringt, setzen Ihnen sehr zu. Das ist auch verständlich, vor allem, da sie Auswirkungen auf so einen intimen Bereich hat. Wir sind nicht gewohnt, über so schambehaftete Themen wie Harnverlust zu sprechen. Leider kann Ihr Rückzug auch Ihren Partner sehr verunsichern und Sie beide geraten dann in eine schweigende Distanz, die der Beziehung nicht guttut.
Sie haben schon den ersten Schritt getan, diese Negativspirale zu unterbrechen. Sie holen sich Hilfe. Der nächste Schritt sollte ein Gespräch mit dem MS-Spezialisten sein. Er wird Ihnen die passende Lösung für das Problem anbieten. Zuletzt wäre ein Gespräch mit Ihrem Partner sicher sehr hilfreich. Falls Sie nicht wissen, wie Sie das bewerkstelligen sollen, holen Sie sich Hilfe bei einer Sexualberatungsstelle oder bei sexualmedizinisch geschulten Ärzten.